Taschenlehrbuch Biologie - Evolution - Oekologie
ein Baum länger als der kürzeste sein muss, damit ein bestimmter interner Knoten nicht mehr auftaucht ( Bremer-Support ).
Bei Beschränkung auf dichotome Beziehungen und Annahme der Monophylie aller untersuchten Einzeltaxa sind genau drei phylogenetische Verwandtschaftsverhältnisse zwischen drei Taxa (A, B, C) möglich: A und B sind Schwestertaxa und stehen C gegenüber ([A,B]C), A und C sind miteinander näher verwandt als eines von beiden mit B ([A,C]B) , B und C sind nächstverwandt und bilden gemeinsam das Schwestertaxon zu A ([B,C]A) . Arten koexistieren können. Im Bei vier Taxa der Innengruppe sind es schon 15 Möglichkeiten, bei fünf erhöht sich die Zahl auf 105, sechs ergeben 945, und zehn schon rund 34 Millionen denkbare Stammbaumdarstellungen ( Kladogramme ). Kein menschliches Gehirn kann in vertretbarer Zeit genügend viele Alternativmöglichkeiten gleich sorgfältig und unvoreingenommen prüfen. Es ist daher naheliegend, dass phylogenetische Probleme mithilfe von Computern analysiert werden.
Nicht nur die Erhöhung der Taxa führt zu Problemen, auch eine große Zahl an Merkmalen lässt die Suche nach dem besten Stammbaum nicht ohne Unterstützung durch den Computer zu. Dies gilt im besonderen Maße für Stammbaumanalysen mithilfe molekularer Daten, in denen auch zuweilen <10 000Merkmale eingesetzt werden. Allerdings wächst der Rechenaufwand linear mit der zusätzlichen Anzahl an Merkmalen, aber faktoriell mit der Zunahme an Taxa.
Die Anzahl ungewurzelter Bäume für eine gegebene Anzahl von Taxa n = (2n–5)!! = 1 · 3 · 5 · 7...(2n–5). Für gewurzelte Bäume gilt (2n–3)!!.
Dies bedeutet, dass bei mehr als etwa 15 Arten keine exakte Lösung berechnet werden kann. Aufgrund dieser Tatsache werden Rekonstruktionen von phylogenetischen Verwandtschaftsverhältnissen zu den „NP-hard“- oder „NP-complete“-Problemen gezählt. NP (Non-deterministic Polynomial) besagt in der Mathematik, dass keine effizienten Algorithmen zur Lösung eines Problems bekannt sind.
Zu diesem Zweck wurden viele Computerprogramme entwickelt. Gemeinsam ist den Programmen, dass sie die Abfolge der Verzweigungsschritte – die Kladogenese – zu rekonstruieren erlauben. Sie werden daher auch „kladistisch“ genannt, ihre Anwendung Kladistik . Dieser Begriff ist nicht beschränkt auf den Einsatz von Computerprogrammen, meint diesen aber hauptsächlich.
Der erste Schritt ist wieder die Erstellung einer Merkmalsmatrix , die für die computergestützte Analyse nötig ist. Nachdem festgelegt ist, was jeweils als ein Merkmal zu betrachten ist (Festlegung der primären Homologie, Siehe hier ), muss eruiert werden, in wie vielen Formen/Zuständen das Merkmal innerhalb der untersuchten Taxa vorliegt. Am unproblematischsten sind sogenannte zweiwertige Merkmale , von denen es nur zwei Ausprägungen gibt, z. B. vorhanden/nicht vorhanden, lang/kurz, gelb/schwarz. Jeder Merkmalsausprägung wird ein Zahlenwert zugeordnet, im Normalfall 0 und 1, der in die Matrix eingetragen wird. Es kann nicht genügend betont werden, dass mit der Zuweisung dieser Zahlenwerte noch keine Entscheidung über die Lesrichtung oder Polarität der Merkmale getroffen ist. Die Zuweisung von 0 und 1 ist völlig willkürlich.
Mehr methodischen Aufwand erfordern die Merkmale, von denen mehr als zwei Zustände vorliegen, die sogenannten mehrwertigen Merkmale . Die Zustände dieser Merkmale werden zunächst einzeln beschrieben. Es ist dann zu entscheiden, ob von jedem Merkmalszustand aus jeder andere mit nur einem evolutionären Schritt erreichbar gewesen sein soll. Die Merkmalszustände werden dann als ungereiht (unordered, non-additiv) bezeichnet. Es ist empfehlenswert, in jedem Fall zunächst mit ungereihten Merkmalen zu arbeiten, weil dies das Vorgehen mit den wenigsten Vorannahmen ist. Wenn die Merkmalszustände als Glieder einer Abwandlungsreihe aufgefasst werden und das Auswertungsprogramm dies berücksichtigen soll, müssen die Zustände gereiht (ordered, additiv) werden. Reihen von Merkmalszuständen können nur von einem Ende der Reihe zum anderen durchlaufen werden. Die Programme benutzen zur Reihung im einfachsten Fall den Zahlenstrahl (von 0 bis n oder umgekehrt).
Vor der Analyse werden die Merkmale polarisiert , das heißt, jeweils ein Zustand jedes Merkmals wird als plesiomorph bzw. als plesiomorphes Ende der Zustandsreihe bestimmt, indem ein konkretes Taxon oder mehrere solche als Außengruppe definiert werden, oder indem eine synthetische
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