Taschenlehrbuch Biologie - Evolution - Oekologie
Individuendichte, Körpergröße und Reproduktion manifestiert. Arten besitzen entlang von Umweltgradienten meist ein Optimum , ihre Lebensfunktionen zeigen damit eine unimodale ( eingipfelige ) Reaktion . Geringe Abweichungen vom Bereich des Optimums führen zu einer Einstellung von Reproduktionsvorgängen, bei stärkeren Abweichungen wird das individuelle Wachstum eingestellt, noch stärkere Abweichungen führen dazu, dass Lebensprozesse nur noch durch den Verbrauch von Reservestoffen aufrechterhalten werden können und damit längerfristig zum Tod des Organismus. Die Tatsache, dass Organismen nur im Bereich des Optimums reproduzieren, führt dazu, dass nur in diesem Bereich Populationen wachsen. Temporär können Arten jedoch durchaus auch in Lebensräumen vorkommen, in denen eine Reproduktion nicht möglich ist. Unterhalb des Minimums und oberhalb des Maximums ist eine Existenz der betreffenden Art nicht mehr möglich. Bei freier Wahl bevorzugen Lebewesen einen mittleren Bereich der Werteskala ( Präferenzbereich ). Die Gesamtheit der tolerierten Bedingungen zwischen Minimum und Maximum bildet den Toleranzbereich , der auch vitale Zone oder ökologische Amplitude genannt wird. Die Grenzen des Toleranzbereichs können sich in Abhängigkeit von Entwicklungsstadium, Geschlecht und Konstitution verschieben. Die Fähigkeit von Organismen, ihre Vitalität in einem bestimmten Bereich des Umweltfaktors zu entfalten, bezeichnet man als ihre ökologische Potenz , gelegentlich auch einfach als Toleranz oder Reaktionsbreite. Die ökologische Potenz ist also ein charakteristisches Merkmal einer Art, der Toleranzbereich dagegen ein spezifischer Ausschnitt aus Umweltbedingungen und Ressourcen. Individuell variierende Toleranzen führen dazu, dass Populationen eine breitere ökologische Potenz besitzen als einzelne Individuen, was zum Überleben einer Art wesentlich beitragen kann. Stellt man die Beziehung von Ressource bzw. Umweltbedingung und Vitalität graphisch dar, erhält man eine so genannte Toleranzkurve . Diese entspricht einer Häufigkeitsverteilung der Individuen einer Art entlang der Umweltfaktor- bzw. Ressourcenachse (Abb. 2. 25 ).
Abb. 2. 25 Toleranzkurve. Toleranzkurven geben die Beziehung zwischen Ressource/Umweltbedingung und Vitalität (Wachstum, Vermehrung einer Art) grafisch wieder. Außerhalb des Toleranzbereiches (Wertebereich zwischen Minimumund Maximum) ist eine Art nicht lebensfähig. Der Wert eines Umweltfaktors, bei dem die Vitalität am höchsten ist, nennt man das Optimum. Bei freier Wahl ziehen die Individuen Werte des Umweltfaktors in der Nähe des Optimums vor (Präferendum). Die Toleranzkurve charakterisiert die ökologische Potenz einer Art.
Stenöke Arten besitzen eine geringe ökologische Potenz, sie leben nur in einem engen Toleranzbereich des betrachteten Umweltfaktors. Euryöke Arten besitzen eine große ökologische Potenz, sie leben in einem breiten Toleranzbereich des Faktors.
Nicht alle Faktoren haben die gleiche ökologische Wertigkeit für den Organismus, sie können in unterschiedlichem Maß förderlich oder schädigend sein. Daher wird die ökologische Potenz gegenüber verschiedenen Umweltbedingungen separat angegeben: Der Karpfen ( Cyprinus carpio ) ist z. B. eurytherm, aber stenohalin. Eurytherm heißt eurypotent gegenüber der Temperatur, d. h. der Karpfen kann in einem relativ weiten Temperaturbereich vorkommen. Stenohalin heißt stenopotent gegenüber dem Salzgehalt, d. h. der Karpfen kann nur in einem relativ engen Salinitätsbereich leben. Für die Luftfeuchte wählt man die Endung -hygr (euryhygr, stenohygr), für den Druck die Endung -bar (eurybar, stenobar) usw. Gebräuchlich sind auch physiologische Begriffe, z. B. halophil an Stelle von polyhalin für Organismen, die insbesondere hohe Salzgehalte bevorzugen, oder thermophil an Stelle von polytherm bei Präferenzen für hohe Temperaturen. Die Endung - phil impliziert dabei, dass die entsprechende Art hohe Ausprägungen des entsprechenden Faktors bevorzugen. Dies ist allerdings oft nicht der Fall. Vielmehr ist das Vorkommen von Arten nur unter diesen Bedingungen möglich, da sie nur in diesem Bereich konkurrenzfähig sind. Neutraler sollte man deshalb besser die Endung -biont verwenden (z. B. halobiont, thermobiont). Das Vorkommen einer stenöken Art an einem bestimmten Standort lässt oft Rückschlüsse auf die dort herrschenden abiotischen Bedingungen bzw. auch auf die Verfügbarkeit und Qualität von Ressourcen zu,
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