Taschenlehrbuch Biologie - Evolution - Oekologie
verringern (Abb. 2. 26 ). Einem erhöhten Bedarf steht also ein vermindertes Angebot gegenüber. Temperatur und Sauerstoffgehalt hängen physikalisch zusammen. Aber auch Faktoren, die nicht direkt voneinander abhängen, wirken auf Lebewesen kombiniert oft anders als einzeln: Hohe Temperaturen wirken sich beispielsweise wesentlich lebensfeindlicher aus, wenn gleichzeitig Wassermangel herrscht.
Abb. 2. 26 Einige Umweltbedingungen hängen physikalisch direkt voneinander ab: Mit steigender Temperatur und steigendem Salzgehalt sinkt die Sauerstofflöslichkeit im Wasser. Je wärmer und salziger das Wasser ist, umso niedriger ist der Sauerstoffgehalt, bei dem Sättigung eintritt. (Nach Kinne, 1962.)
In der freien Natur wirken immer mehrere Faktoren zusammen und entscheiden über Vorkommen und Dichte der Arten. Ausschlaggebend ist immer gerade der Umweltfaktor, der am weitesten vom Optimum entfernt ist ( Minimumgesetz von Liebig ).
Wirken gleichartige Umweltbedingungen bzw. Ressourcen auf verschiedene Organismen, bewirkt das äußerliche Ähnlichkeiten ( konvergente Merkmale , Analogien ), selbst wenn keine nähere Verwandtschaft besteht. So haben viele im freien Wasser aktiv schwimmende Lebewesen (Haie, Thunfische, Pinguine, Seehunde, Meeresschildkröten) eine typische Stromlinienform. Diese „Fischgestalt“ liegt sogar der Konstruktion von U-Booten zu Grunde, weil die physikalischen Gegebenheiten es so erfordern. Endoparasiten sind meist wurmförmig, Kolonien von Moostierchen besitzen an wellenexponierten Küsten die gleiche Wuchsform wie Rot- und Braunalgen.
Betrachtet man geographisch entfernte Lebensräume mit ähnlichen Umweltbedingungen, stellt man ebenfalls konvergente Merkmale bei den Organismen fest: Lummen des Nordpols ähneln den Pinguinen des Südpols, die BeuteltiereAustraliens ähneln den Plazentatieren entsprechender Lebensräume. Solche Organismen nehmen äquivalente Stellen im Ökosystem ein, ihre äußerlichen Übereinstimmungen sind auf Funktionsgleichheit, nicht auf Baugleichheit zurückzuführen ( Stellenäquivalenz , Siehe hier ).
2.3.2 Ökologische Fundamental- und Realnische
Die Ausprägungen von Umweltbedingungen und Ressourcen lassen sich als Achsen eines Koordinatensystems darstellen. Jede Art nutzt entsprechend ihrer ökologischen Potenz einen bestimmten Ressourcenabschnitt der Umwelt. Allerdings ist das Vorkommen nicht nur von einem Umweltfaktor abhängig. Beispielsweise ist das Vorkommen einer Art nicht nur auf einen bestimmten Temperaturbereich beschränkt, sondern auch auf einen bestimmten Feuchtigkeitsbereich. Für graphische Darstellungen ergänzt man daher eine zweite Achse, die ökologische Potenz wird zu einer (zweidimensionalen) Fläche (Abb. 2. 27 ). Fügt man als dritte Dimension z. B. den pH-Bereich hinzu, ergibt sich für die Ansprüche der Art gegenüber den betrachteten drei Umweltfaktoren ein dreidimensionaler Raum, ein Volumen. Tatsächlich besteht die Umwelt aus weit mehr als drei Dimensionen, mathematisch gesehen bilden Umweltbedingungen einen n-dimensionalen Hyperraum . Dieser Teilraum wird als ökologische Nische ( ecological niche ) bezeichnet und setzt sich also aus n ökologischen Potenzen zusammen. Jede Art bildet eine charakteristische ökologische Nische, die man bestimmt, indem man die ökologischen Potenzen einer Art gegenüber allen wichtigen Umweltfaktoren untersucht.
Abb. 2. 27 Ökologische Potenz. Stellt man zwei Umweltbedingungen bzw. Ressourcen als x- und y-Achsen eines Koordinatensystems dar, ergibt sich die ökologische Potenz als Fläche mit Isolinien. Diese Darstellung lässt sich mit den Höhenlinien einer physischen Landkarte vergleichen: Die dunkelblauen Flächen stellen die Bergspitzen in der Landschaft dar. Die Vitalität (Überlebensrate der Eier) des Luzernerüsselkäfers ( Hypera postica ) ist bei einer relativen Luftfeuchte von 75–100% und Temperaturen zwischen 12 und 28 °C am höchsten, Temperaturerhöhungen schränken die Feuchtetoleranz ein.
In einer Lebensgemeinschaft treten Individuen in Wechselbeziehung zu Artfremden oder Artgenossen und konkurrieren mit ihnen um die Ressourcen. Die ökologischen Potenzen, die eine Art alleine, z. B. im Labor, unter Beweis gestellt hat ( Fundamentalnische ) kann sie in Gemeinschaft mit anderen oft nicht realisieren ( Realnische ). Die Realnische ist damit ein Teilraum der Fundamentalnische, sie entspricht der n-dimensionalen synökologischen Amplitude einer Art und lässt sich nur im Rahmen
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