Taschenlehrbuch Biologie - Evolution - Oekologie
synökologischer Untersuchungen genauer bestimmen ( Siehe hier ).
Mitteleuropa wäre ohne menschlichen Einfluss bis auf Extremflächen wie Hochmoore, Flussufer und Felsabstürze von Wald bedeckt. Auch heute kommt Wald noch auf großen Flächen vor, allerdings wird er mit wenigen Ausnahmen durchforstet und geht auf forstliche Maßnahmen zurück. Die heutige nachhaltige Bewirtschaftung von Wäldern wurde nach dem Raubbau im Mittelalter, an dessen Ende > 90 % des Waldes gerodet oder degradiert war, etabliert. Dieser Wald wird von wenigen Baumarten gebildet, die alle eine breite ökologische Amplitude besitzen. Jede Baumart hat das Potenzial Mitteleuropa großräumig zu besiedeln. Tatsächlich wird der Wald jedoch von sehr wenigen Arten, insbesondere der Buche ( Fagus sylvatica ) dominiert (Abb. 2. 28 , Abb. 5. 11 ). Im Gegensatz zur Fichte ( Picea abies ), deren Vorkommen fast ausschließlich forstlich bedingt ist, entspricht die Verbreitung der Buche weitgehend ihrem natürlichen Vorkommen. Tatsächlich würden in Mitteleuropa ohne den Einfluss des Menschen außer an sehr feuchten und sehr trockenen Standorten Buchenwälder vorherrschen. Die Buche ist also in der Lage, alle anderen Baumarten aus großen Teilen deren fundamentalen Nische zu verdrängen. So wird beispielsweise die Waldkiefer ( Pinus sylvestris ) an die Ränder des Feuchte- und pH-Gradienten gedrängt, obwohl sie potenziell über die gesamten Gradienten vorkommen kann. Auf sauren Standorten kommt es daher zu einer bimodalen (zweigipfeligen) Verteilung der Kiefer; ihr Vorkommen beschränkt sich auf sehr nasse und sehr trockene Standorte außerhalb des Vorkommens der Buche. Andere Laubbaumarten sind Buchenwäldern im feuchten Bereich beigemischt, bilden jedoch mit der Ausnahme der Stieleiche ( Quercus robur ) und der Esche ( Fraxinus excelsior ) in nassen sowie der Moorbirke ( Betula pubescens ) und der Schwarzerle ( Alnus glutinosa ) an sehr nassen, moorigen Standorten keine eigenen Bestände. Die heute teilweise großräumig vorherrschende Fichte kommt in dem Diagramm nicht vor, da ihr natürliches Vorkommen auf die montane und subalpine Stufe beschränkt ist.
Abb. 2. 28 Reale Nische von Baumarten Mitteleuropas entlang von Feuchte- und Säuregradienten (submontane Stufe, gemäßigt-subozeanisches Klima). Über einen weiten Bereich dominiert die Buche. Sie verdrängt andere Baumarten in randliche Bereiche der Gradienten. Die Größe der Schrift repräsentiert den Anteil der jeweiligen Art an der Baumschicht. (Nach Ellenberg, 1996.)
Abb. 2. 29 Buchenwald. Natürlicherweise würden in Mitteleuropa Buchenwälder vorherrschen. Zu den am besten untersuchten Ökosystemen Deutschlands gehört der Göttinger Kalkbuchenwald, ein Buchenwald auf Muschelkalk mit reichhaltiger Krautschicht, z. B. aus Bärlauch ( Allium ursinum ). Bei dem schwarzen Zelt handelt es sich um einen Bodenphotoeklektor zur Erfassung der aus dem Boden schlüpfenden Fauna (Emergenzfauna, Siehe hier ). (Foto von Stefan Scheu, Göttingen.)
Der Nischenbegriff: Das Wort Nische ( niche ) wurde 1917 von Grinnell und 1927 von Elton in die Ökologie eingeführt und hat seitdem mehrfach einen Begriffswandel vollzogen. Umgangssprachlich wird der Begriff häufig auf den reinen Aufenthaltsort beschränkt, während Elton die Nische als „Beruf“ der Art verstanden wissen wollte, als Rolle einer Art in ihrem biotischen Beziehungsgefüge. Auch wenn man die Ansprüche der Art gegenüber abiotischen Faktoren in den Nischenbegriff einbezieht, bleibt die so definierte ökologische Nische eine Eigenschaft der Art, jede Art bildet eine ökologische Nische. Von anderen wird die ökologische Nische eher als „Planstelle“ angesehen, also als Teil der Umwelt, der von einer Art besetzt wird. Diese Art- oder Umweltbezogenheit des Nischenbegriffs ist lange Zeit kontrovers diskutiert worden, mehrfach wurdevorgeschlagen, auf den missverständlichen Begriff „Nische“ ganz zu verzichten. Seit Hutchinson 1957 bahnt sich ein praxisorientierter Kompromiss an: Die ökologische Nische beschreibt die spezifische Lebensweise einer Art, indem sie alle von einer Art genutzten Ressourcen darstellt. Die Betonung der Umweltnutzung durch eine Art machte den Begriff operational anwendbar, Begriffe wie Nischenbreite, Nischenüberlappung, Nischentrennung oder Einnischung haben sich besonders in der Synökologie bewährt (Kap. 4).
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Toleranzkurve: Toleranzbereich (vitale Zone): Wertebereich eines Umweltfaktors, in dem eine
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