Taschenlehrbuch Biologie - Evolution - Oekologie
Auswanderung ( Emigration ). Dabei versteht man unter Migrationen die Wanderungen ganzer Populationen von nahrungsarmen zu nahrungsreichen Gebieten. Darunter fallen die Wanderungen der Zugvögel, die jährlich im Herbst aus den nahrungsärmer werdenden Gegenden von Nord- und Mitteleuropa in nahrungsreichere Gegenden an das Mittelmeer und nach Afrika ziehen. Im Gegensatz dazu versteht man unter Dispersal das sich voneinander Entfernen von Individuen, welches besonders dann auftritt, wenn die Populationsdichte sehr hoch ist. Dispersal ist oft bei jungen Individuen zu beobachten, welche die Reviere ihrer Elterntiere verlassen, um nach eigenen Revieren zu suchen.
3.3.1 Exponentielles und logistisches Wachstum
Die Dynamik von Populationen lässt sich in mathematischen Modellen beschreiben und als Kurve darstellen. Diese Modelle bieten die Möglichkeit, Prognosen über zukünftige Populationsstrukturen abzugeben und mit beobachteten Werten zu vergleichen. Auch wenn sie in ihrer erheblichen Vereinfachung nur eine erste Annäherung an die wirklichen Verhältnisse darstellen, so erleichtern sie doch das Verständnis dynamischer Abläufe. So vernachlässigen die beiden folgenden einfachsten Wachstumsmodelle alle Wanderbewegungen bzw. nehmen an, dass Auswanderung und Einwanderung sich die Waage halten. Das erste Modell geht davon aus, dass Populationen mit einer konstanten, dichteunabhängigen Zuwachsrate r wachsen. Daraus ergibt sich ein exponentielles Populationswachstum , ein Wachstum ohne Grenzen (Abb. 3. 5a ). Die Kurve ist J-förmig und selbst bei beliebig kleiner Zuwachsrate müsste eine Art, die diesem Modell entspricht, schließlich die gesamte Erde bevölkern. In der Natur kommt ein solches Wachstum nach einer gewissen Verzögerung ( Lag-Phase ) in der Anfangsphase der Vermehrung ( Log-Phase ) einer Population vor, solange kein Nahrungsmangel auftritt und keine weiteren Arten beteiligt sind. Der einzige Organismus, bei dem bislang ein solch ungebremstes Wachstum beobachtet wurde, ist der Mensch . Bei ihm ist die Wachstumskurve sogar steiler als bei exponentiellem Wachstum, sie ist überexponentiell .
Im exponentiellen Wachstumsmodell wird angenommen, dass Faktoren, die Geburten- und Sterberate beeinflussen, auf kleine Populationen ebenso wirken wie auf große Populationen. Dies gilt aber nur für dichteunabhängige Faktoren , wie abiotische Bedingungen, die kleine und große Populationen in gleicher Weise treffen. Oft werden Geburten- und Sterberate aber von dichteabhängigen Faktoren wie Konkurrenz, Nahrungsmangel oder Räuberdruck beeinflusst. Diese wirken sich stärker auf große als auf kleine Populationen aus. In größerenPopulationen treten mehr Sterbefälle und weniger Geburten pro Individuum auf, denn mit der wachsenden Population verknappen die Ressourcen, die Ausbreitung von Krankheiten ist begünstigt, Ausscheidungen verschlechtern die Umweltbedingungen, Enge führt zu sozialem Stress und Räuber machen leichter Beute.
Geburten- und Sterberate und damit die Zuwachsrate sind also abhängig von der jeweiligen Dichte der Population. Das führt dazu, dass Populationen nicht unbegrenzt wachsen, was das logistische Wachstumsmodell berücksichtigt. Bei diesem Modell nimmt das Wachstum mit zunehmender Populationsgröße durch intra- und interspezifische Konkurrenz allmählich ab, und schließlich wird ein Punkt erreicht, an dem die Population eine konstante Dichte aufweist, weil Geburtenrate, Immigration, Sterberate und Emigration in einem Gleichgewicht stehen (Abb. 3. 5b ). Diese Dichte entspricht der K-Grenze oder Umweltkapazität K , d. h. der maximalen Populationsdichte, die im Populationsgebiet von den verfügbaren Ressourcen leben kann. Diese Umweltkapazität wird durch die im Populationsareal verfügbaren Ressourcen, z. B. Nahrung sowie Wohn- und Versteckplätze, bestimmt. Auf der anderen Seite hängt sie von Merkmalen der Art ab, wie der Körpergröße, dem Aktionsradius und der Konkurrenzkraft. So beanspruchen Arten mit großen Individuen mehr Platz als kleinere Arten und ihre Dichte ist daher meist geringer.
Abb. 3. 5 Wachstumsmodelle. Mathematische Wachstumsmodelle stellen das Populationswachstum unter vereinfachten Bedingungen dar. a Eine konstante Zuwachsrate (r) führt zu exponentiellem Wachstum. b Eine dichteabhängige Wachstumsrate führt zu logistischem Wachstum, die Populationsdichte nähert sich asymptotisch der Umweltkapazität K.
Die Vereinfachungen des exponentiellen und logistischen
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