Taschenlehrbuch Biologie - Evolution - Oekologie
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4.2.1 Beschreibung und Quantifizierung von Diversität
Die Vielfalt des Lebens auf der Erde versetzt den Betrachter immer wieder in Erstaunen. Lebensräume wie tropische Regenwälder, Korallenriffe oder Mangrovensümpfe sind besonders artenreich, wobei die meisten Arten aber nur in geringen Dichten auftreten. In den Wäldern der gemäßigten Breiten, Tundren oder Polarregionen kommen dagegen weniger Arten in hohen Populationsdichten vor. Den Ökologen interessiert, warum sich diese als Diversität bezeichnete Artenvielfalt in den Lebensräumen unterscheidet, wie man die Diversität messen kann und welche Faktoren die Diversität beeinflussen. Bei der Betrachtung einer Landschaft mit verschiedenen lokalen Biozönosen lässt sich Diversität hierarchisch in verschiedene Ebenen ordnen (Abb. 4. 5 ). Die Arten-Diversität einer lokalen Biozönose wird als α-Diversität bezeichnet. Die β-Diversität beschreibt die Unterschiedlichkeit der Artenzusammensetzung von zwei lokalen Biozönosen. Sie ist umso größer, je weniger Arten zwei lokale Biozönosen gemeinsam haben,sie misst damit den Wandel in der Artenzusammensetzung im Raum. Die γ -Diversität einer Landschaft hängt von der α-Diversität der lokalen Biozönosen und der β-Diversität zwischen ihnen ab. Eine Landschaft kann eine hohe γ-Diversität aufweisen, wenn die lokalen Biozönosen eine hohe α-Diversität aufweisen oder wenn die β-Diversität aufgrund einer sehr unterschiedlichen Artenzusammensetzung der lokalen Biozönosen hoch ist.
Abb. 4. 5 Diversität. α-Diversität beschreibt die Diversität von lokalen Biozönosen (hier indiziert durch die farbigen Punkte); γ-Diversität beschreibt die Diversität auf der Landschaftsebene und fasst die Diversität der lokalen Biozönosen zusammen; β-Diversität beschreibt die Unterschiedlichkeit der Artenzusammensetzung von lokalen Biozönosen – sie ist umso größer, je weniger Arten die Biozönosen gemeinsam haben.
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Zur Quantifizierung der Biodiversität entnimmt man dem Ökosystem Stichproben an verschiedenen Stationen oder zu verschiedenen Zeiten. Wie in der Populationsökologie muss dabei zunächst der repräsentative Stichprobenumfang bestimmt werden. Die Stichprobe muss groß genug sein, um die tatsächlichen Gegebenheiten mit einiger Sicherheit wiederzugeben, soll aber nicht zu viel Zeit und Kosten verursachen und die Natur nicht durch die Entnahme unnötig großer Proben belasten. Der Stichprobenumfang für die repräsentative Wiedergabe der Artenzahl wird durch Sammelkurven (collector’s curve) bestimmt (Abb. 4. 6 ). Die kumulative Artenzahl wird gegen die Anzahl der verwendeten Stichproben aufgetragen. Man geht nach folgendem Schema vor: Die durchschnittliche Artenzahl in einzelnen Proben, die durchschnittliche Artenzahl in zwei Proben, usw. bis zur Artenzahl in allen Proben wird gegen die Anzahl der verwendeten Proben aufgetragen. Das ergibt eine ansteigende Kurve, die sich schließlich einem Sättigungswert nähert. Der Stichprobenumfang sollte so groß sein, dass die Sammelkurve in den Sättigungsbereich kommt. Für jede Stichprobe wird die Individuenzahl oder die Biomasse aller vorkommenden Arten quantifiziert. Aus diesen Erhebungen lassen sich als Maße der Diversität die Artenzahlen, Abundanzverteilungen ( Siehe hier ) und Diversitätsindizes ( Siehe hier ) bestimmen. Diese Maße der Diversität stellen generell nur abstrakte Größen dar, die keine funktionellen Rückschlüsse erlauben. Die Zahl der Arten lässt keine Rückschlüsse auf die Naturnähe oder Funktionsfähigkeit einer Biozönose zu. Die Abundanz einer Art sagt nicht notwendigerweise etwas über die ökologische Bedeutung der Art in einer Biozönose aus, die Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Größenklassen oder trophischen Ebenen kann hier sehr viel wichtiger sein. Bei ausreichendem Stichprobenumfang können Artenzahlen direkt ausgezählt werden. Selten erreicht jedoch die beobachtete Artenzahl in den Stichproben die reale Artenzahl der Biozönose. Verschiedene Methoden erlauben die Abschätzung der realen Artenzahlen durch Extrapolation von Arten-Akkumulationskurven, relativen Abundanzmodellen und nicht-parametrischen Hochrechnungsmodellen (Abb. 4. 6b ). Insbesondere bei den meist geringen Stichprobengrößen vor allem in artenreichen Biozönosen liefern diese Methoden oft genauere Abschätzungen der realen Artenzahlen. Problematisch ist, dass die verschiedenen Methoden teilweise sehr unterschiedliche
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