Taschenlehrbuch Biologie - Evolution - Oekologie
unterschiedlichen Konzepte koexistieren oft auf unterschiedlichen räumlichen Skalenebenen. In kleineren räumlichen Ausschnitten einer Landschaft treten Sukzessionsstadien nacheinander auf: Dynamische Störungen erzeugen Lücken im Reifestadium, in denen die Sukzession durch Initial- und Folgestadien wieder zum Reifestadium führt. Kleinere Waldbereiche von wenigen Quadratmetern entwickeln sich von einem Stadium mit Pioniergehölzen zum Klimaxstadium (i. d. R. Rotbuchen-Altbestand in Mitteleuropa). In größeren Ausschnitten derselben Landschaft tretenalle Sukzessionsstadien gleichzeitig auf: Nebeneinander tauchen in Landschaften mit dynamischen Störungen dadurch Flächen mit unterschiedlichen Sukzessionsstadien auf. Der gesamte Wald weist ein Mosaik von Pionierflächen, Klimaxstadien und Zerfallsstadien (z. B. Windwurf oder Brandflächen) auf. Dieses Konzept eines dynamischen Sukzessionsmosaiks beinhaltet zyklische Aspekte (auf kleineren räumlichen Skalenebenen) und Klimaxkonzepte (auf größeren räumlichen Skalenebenen).
Bei autotrophen Sukzessionen wie in den frühen Stadien der Sukzession der Phytoplanktonkultur und des Waldes (Abb. 4. 3 ) übertrifft die Primärproduktion (P) die Gesamtrespiration (R) der Biozönose: Das P/R-Verhältnis ist größer als eins (Abb. 4. 4 ). Sukzessionen auf Windwurfflächen im Wald oder in neuen Seen gehören zu dieser Kategorie. Im Gegensatz dazu sind heterotrophe Sukzessionen durch eine Gesamtrespiration gekennzeichnet, die höher ist als die Primärproduktion: Das P/R-Verhältnis ist kleiner als eins (Abb. 4. 4 ). Es handelt sich hier um Biozönosen, die Ressourcen abbauen. Dazu gehören Besiedlungsfolgen beim Abbau von Dunghaufen, Kadavern, Baumstümpfen, Strandanwurf oder die Selbstreinigungsstrecke eines Fließgewässers. Langfristig entwickeln sich beide Sukzessionstypen zu einem P/R-Verhältnis von eins im Reifestadium(Abb. 4. 4 ). Bei der autotrophen Sukzession handelt es sich hier um das Klimaxstadium, wohingegen bei der heterotrophen Sukzession alle Organismen absterben oder in Überdauerungsstadien übergehen, sobald die abzubauenden Ressourcen aufgebraucht sind.
Abb. 4. 4 Sukzessionstypen. Autotrophe Sukzessionen sind durch ein Verhältnis von Primärproduktion (P) zur Gesamtrespiration (R) von P/R > 1 charakterisiert; heterotrophe Sukzessionen weisen ein P/R < 1 auf. Im Reifestadium der Sukzession stellt sich ein P/R = 1 ein. (Nach Odum, 1956.)
Verschiedene biologische Prozesse prägen den Ablauf der Sukzession: Kolonisierung, Konkurrenz, Begünstigung (facilitation) und Konsum. Die während der Sukzession zu beobachtende Verschiebung von Arten mit besonderer Fähigkeit zur Kolonisierung von neuen Flächen (r-Strategen) zu Arten mit hoher Konkurrenzstärke (K-Strategen) wird als Kolonisierungs-Konkurrenz Trade-off (competition-colonization trade-off) bezeichnet. In frühen Sukzessionsstadien ist die Fähigkeit zur Kolonisierung von Flächen von besonderer Bedeutung für den Erfolg von Arten. Mit zunehmender Biomassendichte auf einer Fläche während der Sukzession gewinnt die Konkurrenzstärke der Arten an Einfluss auf ihren Erfolg. Auf offenen Böden siedeln sich oft zuerst Pflanzenarten mit kleinen, windverbreiteten Samen an. Diese oft kleinen Arten werden anschließend von größeren, konkurrenzstärkeren Arten verdrängt.
Häufig bedingt auch Begünstigung (positive Interaktionen) die Abfolge der Arten während der Sukzession. Dies ist von besonderer Bedeutung, wenn Arten die Verfügbarkeit von Ressourcen verändern. Beispielsweise siedeln in Kahlschlägen des Waldes zunächst einjährige Lichtpflanzen, in ihrem Schatten keimen mehrjährige Schattenpflanzen und verdrängen die Pioniere. Absterbender Strandhafer in den Weißdünen der Meeresküsten reichert den Sand mit Humusstoffen an und bereitet den Boden für weitere Gefäßpflanzen, die spätere Sukzessionsstadien der Grau- und Braundünen charakterisieren. Die Metabiose ist ein Extremfall solcher interspezifischen Begünstigungen, die den Verlauf einer Sukzession beeinflussen. Hier schafft eine Art die Lebensbedingungen für die zeitlich folgende Art: Z. B. bilden Nitrosomonas -Bakterien aus Ammoniak Nitrit, das dann von Nitrobacter zu Nitrat weiter verarbeitet wird und damit erst das Gedeihen höherer Pflanzen ermöglicht.
Der Konsum (Konsumption) von Arten kann einen prägenden Einfluss auf die Sukzession haben, wenn kolonisierende Konsumenten eine biotische Ressource in ihrer Biomassendichte
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