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Tatjana

Tatjana

Titel: Tatjana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tathana Cruz Smith
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einschaltete und die Gestalten Schatten warfen, ließen die Mädchen ihre Werkzeuge fallen. Der Junge schob sie zu den Kiefern, aber der Kastenwagen scheuchte sie an den Rand des Wassers zurück, bis Arkadi und Maxim ins Scheinwerferlicht traten. Der Wagen hielt an und verharrte nachdenklich, während Nebelschwaden vorbeitrieben.
    Der Fahrer würde sich entscheiden müssen, dachte Arkadi. Die Gezeiten warteten auf niemanden. Mit jeder am Wasserrand verbrachten Sekunde sank der Wagen tiefer in den nassen Sand.
    Maxim sagte: »Schweinchen Fett und Schweinchen Dick, welche Wonne, welches Glück, seht ein voller Trog, ha, ha, steht mit saft’gem Futter da. «
    Kaltes Wasser kroch in Arkadis Schuhe. Bald würde es den Auspuff erreichen und den Motor abwürgen. Davor würde der Sand nachgeben und keine Haftung mehr bieten. Der Junge namens Wowa und die beiden Mädchen schlüpften davon, während sich der Kastenwagen auf Arkadi und Maxim konzentrierte. Dann, ohne das geringste Problem, setzte der Wagen auf festeren Boden zurück und verschwand in Richtung Kiosk, während das Schwein in den Wellenformen des Strandes schaukelte, erst langsam und dann im Trab.
    Arkadi sammelte das Werkzeug ein, das die Mädchen bei ihrer Flucht zurückgelassen hatten. Ihre Lampe war raffiniert: ein Radfahrerschuh, ausgestopft mit Sand und einer Kerze darin. Arkadi fügte eine Visitenkarte mit seiner Handynummer und einen Zwanzig-Rubel-Schein hinzu.
    Maxim kochte. Sobald sie im Auto waren, knurrte er: »Ein Witz. Ein Mann liest ein Buch, und an der Tür klopft es. Er macht auf, und da sitzt eine Schnecke auf seiner Schwelle. Der Mann will einfach nur lesen, also kickt er die Schnecke hinaus in die Dunkelheit und kehrt zu seinem Buch zurück. Zwei Jahre vergehen. An der Tür klopft es. Er öffnet sie, und da ist die Schnecke, und die Schnecke fragt: ›Was, zum Teufel, sollte das denn?‹ Daher frage ich Sie: Was, zum Teufel, sollte das denn?«
    »Keine Ahnung.«
    »Kam mir persönlich vor. Wir wurden von einem Wahnsinnigen in einem Metzgerwagen gejagt, und Sie scheinen nicht besonders überrascht zu sein. Meine Schuhe sind nass, meine Socken sind nass, und Sie stecken Geld in einen Schuh, der mit der Flut aufs Meer hinausgetragen wird. Glauben Sie etwa, dass jemand den sehen wird?«
    »Die Kinder. Die sind ziemlich wagemutig. Sobald sie glauben, die Luft ist rein, werden sie zurückkommen.«
    »Was hat das mit Tatjana zu tun?«
    »Tatjana hat das Notizbuch von Kindern am Strand gekauft, vielleicht von diesen Kindern. Wir wollten Kontakt aufnehmen, und ich glaube, das ist uns gelungen.«
    »Also war es ein großer Erfolg?«
    »Absolut.«
    »Mir kam’s so vor, als hätte ich nur nasse Füße bekommen.«
    »Das verstehe ich. Tut mir leid wegen Ihrer Schuhe.«
    Trotz der Entschuldigung war Maxim beleidigt. »Und was jetzt?«
    »Sie sagten, es gebe einen Grenzposten auf der Nehrung?«
    »So was in der Art.«
    »Den würde ich gerne sehen.«
    »In der Art« war noch übertrieben für den Posten. An einem typischen russischen Grenzübergang waren bewaffnete Grenzwachen postiert, dazu ausgebildet, jedes Dokument mit Misstrauen zu beäugen. Ohne jeden Vorwand konnte ein Reisender in einen Warteraum geführt werden, in dem der Inhalt seines Rucksacks ausgeschüttet und durchwühlt wurde.
    Aber die russisch-litauische Grenze auf der Kurischen Nehrung bestand nur aus einem Wellblechschuppen neben einem etwa zehn Meter hohen, spindeldürren Funkturm. Posten und Turm wurden von weiß getünchten, halb im Boden vergrabenen Reifen und einem uralten Suchscheinwerfer geschützt, der aussah, als wäre er seit der Belagerung von Leningrad nicht mehr angeschaltet worden. Telefondrähte hingen auf dem Maschendrahtzaun und verschwanden in einem lichten Birkenwäldchen. Ein Grenzwächter in gewöhnlicher Tarnkleidung riss sich so weit zusammen, eine kreisende Bewegung mit dem Arm zu machen und zu rufen: »Drehen Sie um! Weiter können Sie mit dem Auto nicht fahren!«
    »Das ist alles?«, fragte Arkadi.
    »Das ist die Grenze. Um diese Jahreszeit kommen manch mal Vogelbeobachter. Ansonsten ist nicht viel los. Wollen Sie den Wahnsinnigen mit dem Metzgerwagen melden?«
    »Was gibt es zu melden?«
    »Wir haben einen Mann gesehen, der Kinder bedroht hat.«
    »Bloß ist der fort und die Kinder auch.«
    »Die Soldaten könnten eine Suche einleiten.«
    »Grenzwächtern ist es nicht erlaubt, ihren Posten zu verlassen.«
    »Sie könnten anrufen.«
    »Hoffentlich nicht«, sagte

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