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Tatjana

Tatjana

Titel: Tatjana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tathana Cruz Smith
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Grischas Erfindung. Ich blicke da immer noch nichts ganz durch. Jeder hat einen großen Traum. Jeder Kriminelle will einen BMW fahren, und jeder Politiker muss in einem Palast wohnen. Nur unsere Matrosen sind bereit, sich mit einem bescheidenen Seemannsgrab zufriedenzugeben.«
    »Von dem Moment an, als Sie begonnen haben, diese Papiere zu sammeln, haben Sie sich zur Zielscheibe gemacht.«
    »Nur habe ich weder verlässliche Fakten noch Namen, was mich verrückt macht.«
    Der Strahl eines Scheinwerfers strich über das Fliegengitter der Veranda.
    »Runter«, sagte Arkadi.
    Ein Schnellboot kam näher, versuchte, nicht mit der Breitseite in die Brandung zu geraten.
    »Ist das Maxim?«, fragte Tatjana. »Er sollte es doch besser wissen.«
    »Das ist nicht Maxim.«
    Arkadi machte Alexi am Ruder eines schlanken, hölzernen Rennboots aus, ein klassisches Wahrzeichen von Motorbootprahlerei und die schlechteste Wahl, um an einem Strand zu landen. Er kam zentimeterweise näher, ohne seitlich abzudriften und zu kentern, hätte jedoch ein flaches Schlauchboot wählen sollen, das zum Landen bei rauer See geeignet war.
    »Tatjana Petrowna! Ich will mit Ihnen reden! Kommen Sie raus, und zeigen Sie sich!«, brüllte Alexi.
    »Er hängt fest. Er kann nicht näher herankommen«, sagte Arkadi.
    Der Suchscheinwerfer strich über das Fliegengitter und die Ecken der Veranda.
    »Wenn Sie rauskommen, erzähle ich Ihnen, was mit Ihrer Schwester passiert ist. Sie sind Journalistin, wollen Sie die Einzelheiten nicht hören?«
    Der Wind riss seine Worte fort. Er bugsierte das Boot vor und zurück, ließ den Innenbordmotor husten und rumpeln.
    »Renko, wollen Sie nicht wissen, was mit Ihrem Jungen passiert ist? Mit Schenja? Kümmert Sie das nicht?«
    »Welcher Junge?«, flüsterte Tatjana. »Sie haben einen Sohn?«
    »In gewisser Weise.«
    Alexi rief: »Ist euch beiden denn alles egal?«
    Der Suchscheinwerfer fand Tatjana, als sie die Verandatür öffnete und die Stufen zum Strand hinunterging. Alexi bedeutete ihr, näher zu kommen. Der Himmel riss auf, und im blendenden Licht des Blitzes hob Alexi eine Waffe und schoss.
    Der Schuss verfehlte sein Ziel. Alexi war ein guter Seemann, aber was er da tat, erforderte Hände am Ruder und an der Waffe, während das Deck unter seinen Füßen in alle Richtungen schlingerte. Ein Schuss ging ins Wasser, der nächste in die Luft.
    Tatjana duckte sich nicht. Für sie schienen die Schüsse irrelevant zu sein, verachtenswert, nicht schlimmer als Regen. Arkadi erreichte sie und spürte ein heißes Zupfen am Ohr. Wellen rauschten heran, breiteten sich aus und glitten zurück. Alexi schoss weiter, bis der Hahn auf ein leeres Patronenlager klickte, wie das letzte Aufbäumen einer Schlange.
    Dann setzte das Boot zurück, wippte und schaukelte durch die Wellen und verschwand in der Dunkelheit.
    »Halten Sie still.« Tatjana tupfte Arkadis Ohrläppchen ab. »Wir haben Glück. Mein Vater hat von allem riesige Vorräte angelegt. Wir haben Mullbinden und Antiseptikum bis ins nächste Jahrtausend. Halten Sie bitte still. Für einen Ermittlungsbeamten sind Sie ganz schön zimperlich.«
    »Woher wusste Alexi, dass wir hier sind?«
    »Keine Ahnung, aber es wird eine Weile dauern, bis er zurückkommt. An der Nehrung gibt es keine Möglichkeit, ein so großes Motorboot wie seines festzumachen. Dann muss er erst ein Auto holen und hierherfahren. Wird vermutlich Stunden dauern.«
    »Das ergibt doch keinen Sinn. Warum ist er überhaupt in so einem Boot gekommen?«
    »Er war in Eile. Menschen, die in Eile sind, treffen falsche Entscheidungen.«
    »Wir können nicht mehr warten. Wir müssen sofort aufbrechen.«
    »Sofort«, wiederholte sie.
    Tatjana strich ihm das Haar vom Ohr. Ein Pflaster würde reichen. Er spürte ihren Atem an seinem Hals. Das und der Schmerz ergaben eine seltsame Kombination. Ihre Hand verharrte länger, als notwendig war. Er spürte ihren Körper an seinem lehnen. Dann war ihr Mund auf seinem, und seine Hände glitten in ihr Hemd, über die Wölbung ihres Rückens, über die Wärme und Kühle ihres Körpers. Als er mit ihr am Strand gestanden hatte, war er unverwundbar gewesen, trotz des Streifschusses. Wie konnte sie so viel Kraft ausstrahlen und sich gleichzeitig an ihn klammern, als würde sie ohne ihn ertrinken?
    Ihre Tiefe war erstaunlich. Endlos. Und in ihren Augen sah er einen besseren Mann, als er es zuvor gewesen war.
    »Danach« war ein überstrapaziertes Wort, fand Arkadi. Es bedeutete so viel.

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