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Tatjana

Tatjana

Titel: Tatjana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Cruz Smith
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etwas?«
    »Ich weiß es nicht. Ich glaube, Tatjana Petrowna hatte so viele Feinde, dass sie sich gegenseitig über die Füße gestolpert sind.«
    »Warum kümmert Sie das?«
    »Tut es nicht. Ich bin nur neugierig.« Ihm kam noch ein Gedanke. »Wie sind die Katzen denn mit ihrem Hund klargekommen? Auf einem Foto von ihr habe ich einen Hund gesehen.«
    »Ihr Mops? Der kleine Polo? So ein Feigling. Der hat sich hier nicht reingetraut.«
    Arkadi zog Latexhandschuhe über, bevor er die Tür öffnete. Er hatte große Hoffnungen, ging davon aus, dass die Wohnung das Abbild eines wohlgeordneten Verstandes war, und saubere Oberflächen bedeuteten gute Fingerabdrücke.
    Die Balkonvorhänge waren geschlossen und ließen nur Lichtspalten frei. Vergebens drückte er auf einen Schalter, bis ihm einfiel, dass der Strom im Haus abgeschaltet war. Der Strahl seiner Stiftlampe tanzte über die herabbaumelnden Drähte einer Deckenlampe. Arkadi richtete ihn nach unten und sah, dass er keinen Schritt tun konnte, ohne auf offene Bücher oder zerbrochenes Glas zu treten. Er ließ den Strahl durch den Raum zu einem Sofa wandern, das umgekippt und aufgeschlitzt war, mit hervorquellender Polsterung. Daneben stand ein Schreibtisch ohne Schubladen. Mappen waren aus Hängeregistern gekippt worden. Bücherregale waren ausgeleert, und überall lag loses Papier herum. Verstreute Schuhkartons enthielten Audiokassetten, die laut den Aufklebern zwanzig Jahre zurückreichten. Das Strandgut einer professionellen Reporterin.
    Mit langen, vorsichtigen Schritten betrat er die Küche. Alles, was in Schubladen oder Schränken gewesen war, lag auf dem Boden. Messer glitzerten in der Mischung aus Joghurt, geschmolzener Eiscreme und Frühstücksflocken. Sowohl der Kühlschrank als auch der Herd waren abgerückt worden. Zwei Hundeschüsseln, beide umgedreht. Im Badezimmer war das Medizinschränkchen ins Waschbecken geleert worden. Im Schlafzimmer war die Matratze filetiert, der Kleiderschrank umgeworfen.
    Er ging zum Balkon und öffnete die Türen. Das war Tatjanas letzter Ausblick gewesen, trostloser, als Arkadi erwartet hatte, weit entfernt von den Glastürmen der Millionäre. Selbst mit den eingeklappten Türen war auf dem Balkon nur Platz für zwei. Auf einer Metallplakette am Geländer stand: »Bitte stellen Sie keine Gegenstände auf den Sims.« Gute Idee, fand Arkadi. In einer Ecke des Balkons standen ein Aschenbecher und eine verwelkte Topfgeranie.
    Er kehrte ins Wohnzimmer zurück, trat dabei auf einen Schuhkarton mit Kassetten und hob einen Kassettenrekorder auf. Arkadi hatte mit leeren Batterien gerechnet. Stattdessen hörte er das Stottern von Maschinenpistolenfeuer und eine Frauenstimme: »Beide Seiten haben die gleichen Waffen. Was daran liegt, dass unsere sowjetischen Soldaten ihre gegen Wodka eingetauscht haben. Hier in Afghanistan ist Wodka der große Gleichmacher.« Arkadi probierte eine weitere Kassette. »Die Sirenen, die Sie hören, stammen von Krankenwagen, die Kinder in ein schon mit Verwundeten überfülltes Krankenhaus bringen, bisher über zweihundert. Inzwischen ist klar, dass es keinen Rettungsplan gab. Der Ministerpräsident ist immer noch nicht eingetroffen.« Und eine dritte. »Die Bombe explodierte während der Stoßzeit in der Metro. Überall liegen Leichen und Leichenteile. Wir versuchen näher heranzukommen, aber manche Tunnel sind derart mit schwarzem Rauch gefüllt, dass es unmöglich ist zu atmen oder etwas zu sehen.« Geschichte rauschte vorbei.
    Arkadi legte eine neue Kassette ein. Zuerst dachte er, sie sei leer, dann vernahm er ihre leise, sanfte Stimme. »Die Menschen fragen mich, ob es das wert ist.«
    Eine Pause, aber er wusste, dass Tatjana dort auf dem Band war. Er hörte sie atmen.

5
    A m nächsten Morgen fühlte sich Arkadi seltsam wohl. Zum einen lag das am Dicodid, zum anderen an dem Gefühl, in direkten Kontakt mit Tatjana Petrowna getreten zu sein und eine Idee zu haben, wo er anfangen konnte. Sergei Obolenski war einer der wenigen Männer, die sich vor Tatjanas Wohnhaus zur Wehr gesetzt hatten. Er war Tatjanas bester Freund bei der Zeitschrift Jetzt gewesen.
    »Wir sollten uns eher Dann und Wann nennen«, meinte Obolenski. »Unsere neueste Ausgabe haben wir gekippt, damit wir unser Konzept des investigativen Journalismus überdenken können. Vielleicht müssen wir ein Horoskop bringen statt Recherchen. Vielleicht sollten wir nur noch Horoskope drucken. Ich kann es nicht verantworten, dass die Redakteure ihr

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