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Tatjana

Tatjana

Titel: Tatjana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Cruz Smith
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verrückt!«
    Schenjas zweiter Schuss ließ den Boden neben Fedorows anderer Seite splittern. Seine Hautfarbe wurde talgig, sein Gesicht verzerrte sich.
    »Wo ist Alexi?«, fragte Schenja.
    »Ich weiß es nicht!«
    Schenja setzte Fedorow den Schalldämpfer an die Schläfe und drückte so langsam auf den Abzug, dass der Mann den Zündmechanismus der Pistole einrasten hörte.
    »Kaliningrad«, presste Fedorow heraus. »Da sind sie alle. Alexi, Abdul, Beledon, einfach alle.«
    »Ich habe eine Mitfahrgelegenheit für meinen Großvater gefunden«, rief Lotte, als sie zur Tür hereinkam. Sie hielt inne, nahm Schenja, die Pistole und den Korditgestank wahr und verschwand sofort wieder im Aufzug.
    Schenja polterte die Treppe hinter ihr her, prallte gegen die Wände. Er erwischte sie im Eingangsflur, aber sie riss sich von ihm los.
    »Du bist nicht besser als er«, kreischte sie. »Du brauchst nur eine bessere Ausrede.«
    »Es ist nicht das, was du denkst.«
    »Was ist es dann?«
    »Ein Spiel.« Schenja setzte den Pistolenlauf an seine Schläfe und drückte auf den Abzug. Der Hammer klickte auf ein leeres Patronenlager. »Ein Hütchenspiel. Ich habe das Magazin entladen und nur zwei Patronen eingelegt. Ich bin kein Killer, bloß ein Zocker.«
    Viktor fand Babysitter.
    Die Kriminalbeamten Slowo und Blok hätten in Sotschi sein sollen, doch zwei Tage nach ihrer Pensionierung waren sie wieder da. In Moskau waren sie Männer mit Autorität. In Sotschi waren sie dickbäuchige, alternde Nullen in Sandalen, die mit anderen Nullen in Sandalen Supermarkt-Einkaufswagen mit billigem australischem Wein beluden, auf ein Lächeln der Kassiererin hofften, Presskaviar auf durchweichte Cracker häuften, auf dem Sofa mit einem Glas in der Hand besinnungslos wurden. Sie waren nur zu glücklich, Fedorow zu bewachen, mit Handschellen an einer Pritsche in Viktors Lieblingssäuferzelle festgemacht.
    Verbindung zu Arkadi herzustellen, war nicht so einfach.
    »Wisst ihr, was mich beglücken würde?«, fragte Viktor. »Wenn er sich wenigstens die Mühe machen würde, uns anzurufen. Wo ist er? Hat er sich verkrochen, oder ist er draußen auf See? Denn seine Freunde aus Moskau, die sind alle in seine Richtung unterwegs.«

27
    A rkadi und Tatjana stahlen sich vor Tagesanbruch von den schlafenden Radfahrern fort und fanden die Straße mithilfe ihrer Fahrradleuchten. Salzgeschmack lag in der Luft, und die Birken verneigten sich und seufzten. Tatjana führte, und er folgte ihr.
    Als die Sonne aufging, trat der Urlaubsort Selenogradsk allmählich aus der Dunkelheit hervor, voll mit Fischbuden, Spielhallen und, entlang der Promenade, Umrissen von Vorkriegshotels mit spitzen deutschen Dächern. Am Strand sahen einige Frühaufsteher den Wellen zu, wie sie aufliefen und im Sand erstarben.
    »Die Saison ist vorbei«, sagte Tatjana beim Fahren. »Jetzt kommen nur noch Vogelbeobachter. Selenogradsk liegt auf dem Zugweg von Habichten und Adlern. Ludmilla und ich waren ständig hier.«
    Der Ort versank hinter ihnen. Arkadi bemerkte den Kiosk und die Tattoo-Poster, die er mit Maxim gesehen hatte. Derselbe Strandgutsammler zog seinen Schlitten am Straßenrand entlang. Nach Norden wurde die Straße einspurig. Häuschen verwandelten sich in Fischerhütten und wurden immer weniger, während der Strand sich zu einer Sandbank mit einem Haff auf der einen Seite und dem Meer auf der anderen verengte. Kein einziges Auto. Nur das Geräusch der Brandung.
    »Der Zauber ist immer noch da.« Tatjana klang trotz allem erfrischt.
    Als es nur noch ganz vereinzelte Häuschen gab, hielt sie bei einem mit verblichenem Anstrich und Fachwerk an, wie das Pfefferkuchenhaus einer armen Hexe. Arkadi erkannte es von einem Foto, das er in Ludmillas Küche gesehen hatte.
    »Manchmal kommt monatelang niemand her. Ludmilla hatte den einzigen Schlüssel.«
    Sie suchte unter einer Ansammlung von Gartenzwergen, Seesternen und Muscheln. Arkadi sah ihr kurz zu, fand dann eine Harke zum Strandgutsammeln und hebelte ein Fenster auf.
    »Das Häuschen gehört Ihnen, nicht wahr?«, sagte er. »Ziemlich stattlich für eine Fischerhütte.«
    »Praktisch illegal.«
    Die Hütte hatte ein Wohnzimmer mit einem Kamin, eine Küche mit Holzofen, ein Wasserklosett, zwei Schlafzimmer und eine mit Fliegengitter bespannte Schlafveranda. Wasser zum Waschen kam aus einer Pumpe. Brettspiele füllten eine Truhe, Taschenbücher quollen aus einem Regal, und in der Speisekammer gab es nur noch Würstchen in Dosen und

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