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Tatjana

Tatjana

Titel: Tatjana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Cruz Smith
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eingelegte Heringe. Ein Ring mit mehr Schlüsseln als notwendig hing an der Wand.
    »Da gibt es auch noch einen Lagerschuppen«, erklärte Tatjana.
    Sie führte Arkadi hinaus und schloss einen Holzschuppen auf, nicht viel größer als eine Sauna. An einem Mittelständer hingen Fahrräder. Sie waren mit langen Kabelschlössern gesichert. Die Räder waren zweckdienlich, nichts Besonderes, eine vernünftige Wahl, dachte Arkadi, wenn man bedachte, dass das Häuschen monatelang leer stand. Auf Borden lagen alltägliche Hämmer und Sägen, daneben standen Gläser mit Nägeln und Schrauben, nach Größe sortiert, handbeschriftete Dosen mit Dichtungsmittel und Farbe und so seltsame Gerätschaften, wie sie nur ein Heimwerker zu schätzen wusste. In einer Ecke waren Gartenmöbel mit Kabeln zusammengebunden und sammelten Staub an. Von Angelzeug war nichts zu sehen.
    Als sie in die Hütte zurückkehrten, ließ sich Arkadi in einen Korbstuhl fallen. Seine Beine verrieten ihm, dass er seit Jahren nicht mehr Rad gefahren war.
    Tatjana huschte von Zimmer zu Zimmer.
    »Mein Vater liebte dieses Häuschen.«
    »Was war er für ein Mann?«
    »Er war Historiker und pflegte gern zu sagen: ›Je weniger man weiß, desto besser.‹«
    »Was ist denn das für ein Historiker?«
    »Ein russischer. Er sagte, in einem normalen Land schreitet Geschichte voran. Entwickelt sich. Aber in Russland kann sie in jeder Richtung verlaufen oder vollkommen verschwinden, worum uns die ganze Welt beneidet. Stellen Sie sich ein Kaliningrad in irgendeiner anderen Gegend vor.«
    »War Ihr Vater depressiv?«
    »Absolut.« Sie kam zurück und ließ sich auf einen Schaukelstuhl sinken. »Sein größter Wunsch war, dass Russland einfach so wäre. Nicht perfekt, bloß normal. Was ist mit Ihrem Vater?«
    »Eher mörderisch als depressiv. Man könnte sagen, der Krieg hat ihm erlaubt, Dampf abzulassen.«
    Licht umrahmte sie. Arkadi fand sie nicht schön im konventionellen Sinn. Ihre Stirn war zu breit, ihre Augen waren zu grau, und ihr Verhalten war viel zu provokativ.
    »Maxim behauptet, Sie wären lieber ein strahlender Meteor als ein beständiger kleiner Mond«, sagte er.
    »Maxim sagt viele dumme Sachen.«
    »Weiß er von diesem Häuschen?«
    »Ich habe ihn mal mit hergebracht.«
    »Na toll.«
    »Er möchte etwas Grandioses tun.«
    »Er liebt Sie immer noch, nicht wahr?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Doch. Er war bereit, mit anzusehen, wie Alexi mich unter eine Tonne Ballast am Hafen von Moskau zerquetscht.«
    »Sie lügen.«
    Arkadi beschrieb die Szene. »Ich habe einen Zeugen. Polo. Er hat mir das Leben gerettet. Maxim dachte wahrscheinlich, sie würden mir bloß Angst machen wollen und er könnte Alexi zurückhalten. Alte Dichter verlieren ihr Zeitgefühl. Das lässt vermutlich als Erstes nach, wie die Beine eines Boxers. Jedenfalls glaube ich nicht, dass Maxim es getan hat, um mich auszuschalten. Er wollte Sie schützen, wollte mich daran hindern herauszufinden, dass Sie am Leben sind.«
    »Jetzt will er sein Leben riskieren. Ich habe ihm gesagt, dass es in seinem Alter nicht mehr darauf ankommt.«
    »Wenn Sie mir die Offenheit verzeihen, Sie zu lieben ist ganz schön schwierig.«
    »Und Sie?«, fragte Tatjana. Arkadi wusste nicht, was sie damit meinte, und sie wechselte das Thema, als spürte sie, dass sie sich einem Abgrund näherten. »Ludmilla und ich sind immer die Dünen rauf und runter gerannt. Jeden Tag waren sie anders. Andere Stelle, andere Form. Und natürlich hat unser Vater uns beigebracht, wie man nach Bernstein sucht. Er fand, die einzig wirkliche Geschichte sei Geologie, alles andere sei nur Meinung. Wissen Sie, dass die Ostsee das jüngste Meer der Welt ist?«
    »Sind wir deswegen hier, um zuzuschauen, wie das Meer alt wird?«
    »Nicht ganz.« Sie ruckte nach vorne, um ihm eine Zigarette anzubieten.
    »Nein, danke.«
    »Sind Sie sicher?«
    Sie klopfte auf das Päckchen und fing eine Speicherkarte auf, die dabei herausfiel. Die Karte war aus Plastik und etwa von der Größe eines Streichholzheftchens, wie man sie in Restaurants bekommt.
    »Was ist da drauf?«, fragte Arkadi.
    »Was hätten Sie gerne? Den Mord an Journalisten, das Niederknüppeln von Demonstranten, Korruption an der Spitze, die Vergewaltigung natürlicher Ressourcen durch einen Ring alter Kumpane, eine verlogene Demokratie, die Errichtung von Palästen, ein ausgehöhltes Militär? Wären Sie eine Quelle gewesen, hätte Ihnen oder jemandem, der Ihnen nahestand, die Erwähnung von

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