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Tatjana

Tatjana

Titel: Tatjana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Cruz Smith
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auf, dass an ihrer Aussage etwas Verhaltenes war, Ausgeklammertes, Unvollständiges.
    »Das ist alles?«
    »Kurz gesagt, ja.«
    »Haben Sie einen Kassettenrekorder?«
    »Eine Journalistin hat immer einen Kassettenrekorder.« Sie griff in ihren Rucksack und reichte Arkadi den Rekorder. »Wieso?«
    Er zog eine Kassette aus seiner Matrosenjacke. »Die trage ich seit Tagen nur deshalb mit mir herum, weil ich sie in Ihrer Wohnung gefunden habe und in sehr kleiner Schrift ›Wieder‹ auf dem Etikett steht. Wieso wieder?«
    Er drückte auf » Start « . Vom Band war ein blechernes, aber deutliches Geräusch zu vernehmen, ein fortwährendes, metallisches Klopf, Klopf, Klopf, Kratz, Kratz, Kratz, bis Tatjana den Rekorder ausschaltete.
    »Ein SOS vom U-Boot Kursk «, sagte sie. Genauso gut hätte sie » Hölle « sagen können.
    »Warum beschäftigt Sie ein Unglück auf See, das vor über zehn Jahren passiert ist?«
    »Nichts hat sich geändert«, antwortete sie.
    Arkadi wartete.
    Schließlich fuhr sie fort. »Als die Torpedos auf der Kursk explodierten, ließ die Pressestelle unserer Marine verlauten, auf dem U-Boot sei es zu ›unbedeutenden technischen Schwierigkeiten‹ gekommen. Da war das U-Boot bereits auf dem Meeresboden aufgeschlagen. Insgesamt machten wir vierzehn vergebliche Versuche, die eingeschlossenen Männer zu retten, bevor die Hilfe der Norweger angenommen wurde. Die gesamte Mannschaft von einhundertachtzehn Männern starb. Wie konnte das auf einem U-Boot der Roten Marine passieren? Was haben wir daraus gelernt? Dass die Torpedos instabil waren, die Klappen sich nicht schließen ließen und, am wichtigsten, dass Reporter, als sie die Wahrheit enthüllten, strafrechtlich wegen Verleumdung verfolgt werden konnten. Das haben wir daraus gelernt.«
    »Das ist Vergangenheit.«
    »Nein, das ist die Zukunft. Wir haben ein neues Atom-U-Boot, mit fast denselben Problemen wie auf der Kursk .«
    »Wie heißt es?«
    »Die Kaliningrad .«
    »Wie sonst.«
    »Da gibt es nur ein Problem. Die Kaliningrad genügt den Anforderungen nicht. Sie wagen nicht, sie einzusetzen. Das U-Boot muss vollständig überholt werden. Die ursprünglichen Konstruktionskosten beliefen sich auf hundert Milliarden Rubel, und die Überholung wird noch mal so viel kosten, und trotzdem sind der Kreml und das Verteidigungsministerium glücklich damit.«
    »Wie ist das möglich?«
    »Das steht alles im Notizbuch. Ich weiß bloß, dass wir keine Regierung mehr haben, nur noch Diebe.«
    »Schreiben Sie darüber? Die Kaliningrad als nur ein weiteres Beispiel?«
    »Nein, das ist nicht dasselbe. Die Kursk war ein Beispiel für Inkompetenz. Die Kaliningrad ist ein Beispiel für Inkompetenz und Gier. Auf ihr liegt Blutfluch. Das ist ein schwarzer Fleck, den Putin niemals auslöschen kann.«
    »Vielleicht können die Probleme des U-Boots ja wenigstens technisch gelöst oder behoben werden?«
    »Mag sein. Meiner Erfahrung nach ist es jedoch leichter, Reporter auszuschalten. Der Dolmetscher Joseph wusste Bescheid, und er ist tot.«
    »Wer wusste von Ihrer Verbindung zu Joseph?«
    »Niemand außer meinem Chefredakteur.«
    Sergei Obolenski hatte auf Arkadi den Eindruck eines Klatschmauls gemacht, doch niemand musste geplaudert haben. Der Dolmetscher Joseph Bonnafos hatte seinen Zweck erfüllt. Nach Beendigung des Treffens war er ein loser Faden, der abgeschnitten werden musste.
    »Sie spielen wieder den Ermittler«, meinte Tatjana.
    »Ich probier’s von Zeit zu Zeit.«
    »Wozu? Hier haben Sie keine Befugnis.«
    »Die habe ich nirgends, aber ich gehe den Dingen gerne auf den Grund.«
    »Das klingt nach einem perversen Vergnügen.«
    »Ist wohl leider so. Was wissen Sie über Grischa?«
    »Persönlich? Er war reich, er war gefürchtet, und er hatte seinen Spaß. Ein volles Leben, könnte man sagen.«
    »Als Geschäftsmann?«
    »Geschäftsmann, öffentlicher Wohltäter und Mafiaboss.«
    »Sowohl in Kaliningrad als auch in Moskau.«
    »Tja, er war ein Mann mit Ambitionen. Ein Anführer.«
    »Und wie würden Sie Alexi beschreiben?«
    »Als verrückt.« Das Word hatte einen scharfen Beiklang.
    »Sie werden sich doch von ihm fernhalten, nicht wahr?«, meinte Arkadi.
    »Er hat meine Schwester umgebracht.«
    »Das glaube ich auch, aber vergessen Sie Ape Beledon oder den Rest von Grischas Sargträgern nicht. Die sind alle fähig, jeden umzubringen, der ihnen im Weg steht. Für sie ist es wie das Erschlagen einer Fliege.«
    »Sie können ein richtiges Ungeheuer sein«,

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