Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tatort Oslo - Unehrlich waehrt am laengsten

Tatort Oslo - Unehrlich waehrt am laengsten

Titel: Tatort Oslo - Unehrlich waehrt am laengsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knut Krueger
Vom Netzwerk:
Beute ja nicht mit mehr Leuten teilen als unbedingt nötig. Andererseits ist es ganz praktisch, wenn einer Schmiere stehen kann.«
    »Und wieso bist du so sicher, dass sie euch irgendwann ins Netz gehen?«
    »Weil sie ziemlich übermütig sind. Sieht man ja an der Nachricht und der Schokolade. Das waren keine eiskalten Profis, sondern irgendwelche Typen, die sich wahnsinnig witzig vorkommen und das Ganze gewissermaßen als persönliche Herausforderung betrachten. Manche erhöhen mit der Zeit sogar das Risiko bei ihren Einbrüchen, um sich selbst etwas zu beweisen. Könnten zum Beispiel irgendwelche geltungsbedürftigen Halbstarken aus Grønland sein, die sich in der Therapiegruppe wie die Klosterschüler benehmen, aber in Wahrheit …«
    »Ausgeschlossen!«, fiel ihm Katja ins Wort. »Für meine Jungs und Mädels lege ich die Hand ins Feuer.«
    Vater und Sohn Ohlsen waren es gewohnt, dass Katja die Jugendlichen, für die sie sich verantwortlich fühlte, mit Zähnen und Klauen verteidigte. Seit mehreren Jahren arbeitete sie nun schon als Streetworkerin in dem Osloer Problemviertel Grønland. Gemeinsam mit ihren Kollegen sorgte sie dafür, dass viele Teenager, denen das Leben übel mitgespielt hatte, wieder mit ein bisschen Optimismus in die Zukunft blicken konnten. Dass sie einen Ausbildungsplatz erhielten, von den Drogen wegkamen oder von einer Pflegefamilie aufgenommen wurden. In den Therapiegruppen lernten sie, ihre Frustration in produktive Bahnen zu lenken, statt ihre Konflikte mit Gewalt zu lösen. Katja stand ihnen mit so unerschütterlicher Loyalität zur Seite, als wären es ihre eigenen Kinder. »Wenn wir uns nicht um sie kümmern, tut es niemand. Und ich werde es nicht zulassen, dass sie vor die Hunde gehen«, pflegte sie zu sagen.
    »Dein Engagement in allen Ehren, Katja, aber du kannst aus den Kids keine Heiligen machen«, erwiderte Ohlsen. »Und du bist schon gar nicht dafür verantwortlich, wenn sie die Hand, die du ihnen entgegenstreckst, nicht ergreifen.«
    Katja wusste, dass er recht hatte, und Ohlsen wusste, dass sie ihm niemals zustimmen würde. Denn sie identifizierte sich mit jedem einzelnen ihrer Schützlinge und empfand es als persönliche Niederlage, wenn diese sich etwas zuschulden kommen ließen. »Das tun sie aber«, entgegnete sie. »Alle ziehen wunderbar mit. Selbst Mia kriegt ihre Aggressionen immer besser in den Griff, und Petter hat sich enorm stabilisiert, seit er seine Ausbildung in der Druckerei angefangen hat.«
    Alexander stöhnte innerlich. Wenn seine Mutter erst mal von den jüngsten Erfolgen, Durchbrüchen und Heldentaten ihrer Zöglinge zu erzählen begann, würde sie so schnell nicht wieder damit aufhören. Höchste Zeit also für einen eleganten Themenwechsel.
    »Wir haben zwei Neue in der Klasse!«
    Allgemeines Schweigen.
    Ein paar Möwen kreisten schreiend hoch über ihren Köpfen. In der Ferne tutete eine Fähre.
    Seine Mutter schien mit den Gedanken noch in Grønland zu sein, während sein Vater sich ganz darauf konzentrierte, eine Weißbrotscheibe mit Krabbenberg und Mayonnaisehaube in Richtung Mund zu balancieren.
    Alexander gab seinen Eltern Zeit. Er wusste, dass das menschliche Gehirn ab einem gewissen Alter länger braucht, um jähe Themenwechsel zu verarbeiten, also versuchte er es mit einer Wiederholung der Nachricht.
    »Wir haben zwei Neue in der Klasse!«
    »Ach wirklich?«, nuschelte Ohlsen mit vollem Mund.
    Bingo!
    »Aus München«, fügte Alexander effektvoll hinzu.
    Jetzt schien auch Katja aus ihrer Trance zu erwachen. »Aus München? Wie interessant. Dann kannst du ja endlich mal mit jemand anderem deutsch reden als mit mir.«
    »Wenn ich um eine kurze Personenbeschreibung bitten dürfte«, sagte Ohlsen mit seiner förmlichsten Hauptkommissarstimme. »Persönlicher Hintergrund, äußere Merkmale und besondere Kennzeichen.«
    Dies war ein beliebtes Spiel zwischen Vater und Sohn, das eine genaue Beobachtungsgabe sowie eine präzise Ausdrucksweise erforderte. Beides Dinge, die einem im Alltag von großem Nutzen sein konnten, wie Ohlsen stets betonte.
    »Es handelt sich um Zwillinge, einen Jungen und ein Mädchen«, begann Alexander und legte die Fingerspitzen aneinander. »Sie heißen Lukas und Franziska. Ihr exaktes Alter muss noch ermittelt werden, ich tippe auf dreizehn Jahre. Mørk zufolge sind sie vor cirka einem halben Jahr mit ihrer Mutter, einer Augenärztin, von München nach Oslo gezogen. Über den Verbleib des Vaters ist nichts bekannt. Da er bis

Weitere Kostenlose Bücher