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Tauben im Gras - Koeppen, W: Tauben im Gras

Tauben im Gras - Koeppen, W: Tauben im Gras

Titel: Tauben im Gras - Koeppen, W: Tauben im Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Koeppen
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vorausgesetzt, es gab sie, einer Bestimmung entziehen? DAS ASTROLOGISCHE JAHRHUNDERT, DAS WOCHENHOROSKOP, TRUMANS UND STALINS STERNE . Er hätte heimgehen können. Er konnte nach Hause in die Fuchsstraße gehen. Der Frühling setzte sich durch. Im verwilderten Garten der Villa blühte das Unkraut. Nach Hause? ein Unterstand, in den es hineinprasselte: Emilia würde sich gegen Morgen wohl beruhigt haben. In die Türen würden Schrammen getreten, in die Wände Löcher gestoßen, Porzellan würde zerschlagen sein. Emilia, von ihrem Toben erschöpft, von ihren Träumen ermattet, ihrer Angst geschlagen, lag auf dem rosa Erbbett, dem Totenbett der Urmutter, die noch ein schönes Leben gelebt hatte, Heringsdorf, Paris, Nizza, die Goldwährung und den Glanz des wirklichen geheimen Kommerzienrattitels. Die Hunde, die Katzen, der Papagei, eifersüchtig aufeinander und Feind einander, aber in einer gemeinsamen Front des Hasses gegen Philipp vereint, einer Phalanx tückischer Blicke, wie alles in diesem Haus ihn haßte, die Verwandten seiner Frau, die Miterben, die verbröckelnden Mauern, das stumpfe Parkett, die rieselnden, säuselnden Röhren der kaputten Heizung, der lange nicht gerichteten Bäder, die Tiere hielten die Möbel wie Kampf türme besetzt und beobachteten den Schlaf ihrer Herrin aus halbgeöffneten Lidern, den Schlaf ihres Opfers, an das sie gekettet waren und das sie bewachten. Philipp rief Doktor Behude an. Vergebens! Der Psychiater war nochnicht in seine Praxis zurückgekehrt. Philipp versprach sich nichts von einer Begegnung mit Doktor Behude, keine Deutung, keine Erhellung, weder Vertrauen noch Mut, aber es war ihm zu einer Gewohnheit geworden, den Nervenarzt aufzusuchen, sich in das verdunkelte Behandlungszimmer zu legen und den Gedanken freien Lauf zu lassen, einer Flucht von Bildern, die ihn bei Doktor Behude überkam, einem kaleidoskopartigen Wechsel des Ortes und der Zeit, während der Therapeut der Seele ihn mit sanfter einschläfernder Stimme von Schuld und Buße befreien wollte. -Doktor Behude schloß in dem Behandlungszimmer der Klinik sein Hemd. Sein Gesicht schimmerte bleich im weißgerahmten Spiegel an der Wand. Seine Augen, die hypnotische Kraft besitzen sollten, waren trüb, müde und leicht entzündet. Einhundert Kubikzentimeter seines Blutes ruhten in dem Kühlschrank der Klinik.
    Night-and-day. Odysseus Cotton lachte. Er freute sich. Er schlenkerte seinen Koffer. Er zeigte kräftige strahlende Zähne. Er hatte Vertrauen. Ein Tag lag vor ihm. Der Tag bot sich allen. Unter dem Vordach des Bahnhofs wartete Josef, der Dienstmann. Die rote Dienstmannsmütze saß streng, militärisch grade auf dem kahlen Haupt. Was hatte Josefs Rücken gebeugt? Die Koffer der Reisenden, das Gepäck der Jahrzehnte, ein halbes Jahrhundert Brot im Schweiß des Angesichts, Adams Fluch, Märsche in Knobelbechern, die Knarre über der Schulter, das Koppel, der Sack mit den Wurfgranaten, der schwere Helm, das schwere Töten. Verdun, Argonnerwald, Chemin des Dames, er war heil herausgekommen, und wieder Koffer, Reisende ohne Gewehr, Fremdenverkehr zum Gebirgsbahnhof, Fremden verkehr zum Hotel, die olympischen Spiele, die Jugend der Welt, und wieder Fahnen, wieder Märsche, er schleppte Offiziersgepäck, die Söhne gingen ohne Wiederkehr, die Jugend der Welt, Sirenen, die Alte starb, die Mutter der vom Krieg verschlungenen Kinder,die Amerikaner kamen mit bunten Taschen, Bagagesäcken, leichtem Gepäck, die Zigarettenwährung, die neue Mark, das Abgesparte verweht, Spreu, bald siebzig Jahre, was blieb? Der Sitz vor dem Bahnhof, das Nummernschild an der Mütze. Der Leib war zusammengeschrumpft, die Augen blinzelten noch munter hinter der stahlgefaßten Brille, lustige Fältlein liefen vom Lid in das Feld der Haut, strömten ein in das Altersgrau, in die Luftbräune, die Bierröte des Gesichts. Die Kollegenschaft ersetzte die Familie. Sie ließen dem Papa die leichten Kommissionen, die zwischen dem schweren Gepäck anfielen, eine Briefbestellung, eine Blumenbesorgung, das Tragen einer Damentasche. Josef ergatterte die Aufträge in Demut und auch mit List. Er kannte die Menschen. Er wußte für sich einzunehmen. Manche Tasche wurde ihm gereicht, die man ihm nicht hatte geben wollen. Er traute dem Tag. Er sah Odysseus Cotton. Er liebäugelte mit dem Köfferchen, aus dem die Musik klang. Er sagte: »Sie, Mister, ich tragen.« Er störte sich nicht an dem Gesang, der das Zelt um Odysseus baute, er griff in die fremde Welt,

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