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Tausche Brautschuh gegen Flossen

Tausche Brautschuh gegen Flossen

Titel: Tausche Brautschuh gegen Flossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliane Kobjolke
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einem tiefen Atemzug öffne ich mich
für das Licht und die Wärme, schließe die Augen und lächele.
    Im Nachhinein berührt es mich sehr,
mich selbst dort sitzen zu sehen. Fast ist es, als betrachte ich eine Fremde, so
wenig scheinen die Frau in Weiß und ich momentan gemeinsam zu haben. Sie ist absolut
gelassen, so im Reinen mit sich und ihrem Leben, mit ihren Entscheidungen. Für sie
gibt es keinen Grund zur Besorgnis. Nicht einmal der Bräutigam, der noch immer auf
sich warten lässt, bringt sie aus der Ruhe. Sie ist sich sicher, dass er da sein
wird; und die Geschichte, warum er und sein Trauzeuge erst fünf Minuten nach zwölf
im Hof der Wartburg erscheinen, wird er ihr später erzählen. Was sie schon jetzt
weiß, ist, dass die zwei Tagträumer die Baustelle vor Eisenach nicht umfahren haben.
    Genau genommen war die Verspätung
der beiden besiegelt, als sie sich auf halber Strecke zwischen Mühlhausen und Eisenach
auf den Braustrauß besannen, der noch im Floristikgeschäft abgeholt werden musste.
Also fuhren Sie mit Tempo 140 über gute alte ostdeutsche Landstraßen zurück und
gurkten mit eingeschalteter Warnblinkanlage durch die Fußgängerzone Mühlhausens
bis vors Geschäft, um daraufhin ein zweites Mal und mit noch ein paar Kilometer
je Stunde mehr durchzustarten. Dass die Baustellenampel kurz vor Eisenach eine Rotphase
von geschlagenen fünf Minuten hat, erfuhren sie nicht, da sie beschlossen hatten,
sich nicht in der Schlage der Wartenden einzureihen, sondern über das Feld neben
der Straße zu preschen. Glücklicherweise fährt Bastian einen Geländewagen – sah
der auch nach dieser Fahrt nicht mehr ganz hochzeitstauglich aus.
     
    »Willst du, Lukas Scholl, die hier anwesende Lena Bachmann zu deiner
Frau nehmen?«, fragt die Standesbeamtin, und ich mache, auf der Couch sitzend, das
Kissen umarmend, die Lippensynchronisation. »Willst du sie lieben, ehren und achten,
willst du bei ihr sein in Krankheit und Gesundheit, bis dass der Tod euch scheidet,
so antworte mit: Ja!«
    »Ja, klar«, sagt Lukas und von den
Plätzen hinter uns ertönt vielstimmiges Grunzen.
    Seine Antwort klingt ein wenig verwundert,
so als wolle er fragen, warum sonst wir alle versammelt seien, und ich lache, obwohl
ich eigentlich gerade mit Weinen beschäftig bin. Nachdem auch ich mein schlichtes
Ja gegeben habe, küsst mich Lukas, noch bevor er dazu aufgefordert wird. Er zieht
mich an sich, legt seine Hände auf meine Taille. Meine Hände umschließen sein Gesicht,
mein kleiner Finger spürt den Pulsschlag seiner Halsschlagader, das Leben, was hindurchgepumpt
wird. Sein Leben, von dem er einen Teil offiziell mir geschenkt hat.
    Mein Lukas, groß, sportlich, gut
aussehend, 28 Jahre, Soldat auf Zeit, ist nun mein Mann. Und ich, Lena, 25 Jahre,
Ex-Studentin, bin seine Frau. Für immer, haben wir uns versprochen.
    Unsere Gäste klatschen und jubeln.
Heute vor 60 Tagen hörte ich nichts davon, denn in meinen Ohren lag ein Summen wie
von Starkstrom, und ein Kribbeln prickelte in meinem Bauch.
     
    Eine neue Filmsequenz zeigt die Feier zu fortgeschrittener Stunde.
Meine Großmutter stülpt sich den Blumen-Tischschmuck auf die frisch dauergewellte
Frisur und sieht aus wie Julius Cäsar. Meine Schwiegermutter hat ihre Nervosität
und Rührung in Sekt ertränkt und tanzt mit meinem Bruder Salsa. Mein Großvater verschafft
sich Gehör, um das Chinesen-Lied zu singen. Es ist nicht jugendfrei, wird auf jeder
guten Feier von ihm – ausschließlich von ihm – zum Besten gegeben und kommt wie
immer grandios an.
    Als ich um Mitternacht den Brautstrauß
werfe, stehen vier Junggesellinnen hinter mir. Hannah bewegt sich nicht einmal,
als der Strauß in die Höhe fliegt, und verschränkt zudem die Arme vor der Brust,
damit das Teil im Notfall von ihr abprallt. Nina macht ein paar Schritte, bleibt
dann abrupt stehen, um über Lilly und Theresa, die Freundin meines Bruders, zu lachen,
denn die zwei sprinten, als ginge es um ihr Leben. Beide bekommen den Strauß zu
fassen, doch Theresa schnappt sich das feste untere Ende und reißt die Blumen triumphierend
in die Höhe, während Lilly mit nur einer Blüte Vorlieb nehmen muss.
     
    An die stimmige Atmosphäre des Restaurants gewöhnt, muss ich bei der
folgenden Filmpassage ein paarmal blinzeln, bis sich meine Augen mit dem Lichtwechsel
abgefunden haben. Alles ist plötzlich grellblau, grellweiß, grellgrün.
    Je länger ich hinsehe, desto deutlicher
meine ich, die Hitze auf meiner Haut zu spüren und

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