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Tausche Brautschuh gegen Flossen

Tausche Brautschuh gegen Flossen

Titel: Tausche Brautschuh gegen Flossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliane Kobjolke
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den würzigen Duft einzuatmen,
der mir entgegenschlug, als ich das Flughafengebäude der Seychellen verlassen habe.
    Nun filmen Lukas und ich abwechselnd.
Die Kamera wackelt in meinen Händen, als ich ihn beim Knacken einer Kokosnuss filme.
Auch nachdem Lukas das widerspenstige Obst 20-mal auf den Stein gedonnert hat, geht
die äußere Schale nicht zu Bruch. Bald schreit er nach einer Axt und will sich zu
den Hütten des Personals aufmachen, um sich eine zu besorgen. Meine weder ernst
noch gut gemeinten Tipps quittiert er mit Grollen und schmettert die Frucht gegen
eine Palme, woraufhin es weitere Kokosnüsse regnet, von denen zwei so günstig fallen,
dass ihre Schalen Risse bekommen. Selig macht sich Lukas daran, die dicken Hülsen
zu entfernen. Die brauen Kokosnüsse darin sind nicht nur viel kleiner als die, die
man im Supermarkt zu kaufen bekommt, sondern geben meinem Mann auch wieder das Rätsel
des Knackens auf. Zwar ist unser Bungalow mit allem möglichen luxuriösen Krempel
ausgestattet, einen Bohrer oder etwas anderes, womit man die widerspenstige Nuss
durchlöchern könnte, finden wir jedoch nicht. Lukas sucht einen spitzen Stein im
Wasser und beginnt in bester Neandertalermanier auf die Kokosnuss einzuhämmern.
Nach etwa einer Stunde knackt er die erste, eine halbe Stunde später und mit deutlich
mehr Übung die zweite. Wir essen den ganzen Nachmittag Kokosnuss.
     
    Und dann ist es dunkel. Gerade noch bin ich über dem Korallenriff geschnorchelt,
habe mich auf der Sonnenterrasse geaalt und jetzt ist mir kalt. Der Fernseher ist
so schwarz wie die Nacht vor dem Fenster, und wenngleich ich die farbenfrohen Bilder
in meinen Gedanken zu halten versuche, verblassen sie doch.
    Missmutig plumpse ich auf die Seite
und umarme das Kissen fester. Habe ich mich nur wenige Monate zuvor gefreut, nicht
mehr zur Uni fahren zu müssen, ginge es mir jetzt sehr viel besser mit der Gewissheit,
morgen eine Vorlesung zu besuchen. Doch mein Grafikdesign-Studium ist vorbei, abgeschlossen
mit Auszeichnung. ›Hurra, Karriere, ich komme‹, habe ich gerufen und bin losgerannt.
Wahrscheinlich in die falsche Richtung, schließlich gibt es für den nächsten Tag
nicht eine einzige Verpflichtung, nicht eine Herausforderung, kein Problem, das
einer Lösung bedarf. Lukas hingegen muss wieder zur Bundeswehr. Zu allem Überfluss
steht eine dreiwöchige Übung an. Die drei Wochen haben vorgestern begonnen.
    Tolle Aussichten sind das.
    Zweifellos ist ein Job die erste
und eine zumeist recht wirkungsvolle Methode gegen Langeweile. Theoretisch habe
ich einen. Ich bin Teamleiterin eines großartigen, zukunftsorientierten Projektes
zur elektronischen Archivierung von Daten und dürfte nicht wissen, wo mir der Kopf
steht vor lauter Verantwortung. Der Haken ist: Mein Büro in der Firma wurde noch
nicht renoviert, weshalb ich von zu Hause aus arbeite, was prinzipiell optimal ist.
Nicht optimal allerdings ohne Team. Noch weniger optimal ohne fundierten Auftrag.
Momentan definiert sich mein Job durch eine einzige Tätigkeit. Das Warten.
    Vor zwei Monaten wurde ich eingestellt,
um den Dienstleistungsbereich Grafikdesign abzudecken. Mit Datenarchivierung hat
das nicht wirklich zu tun. Offenbar hält mein Chef den Begriff EDV für ein längst
nicht so weites Feld, wie es EDVler tun; doch flexibel, wie ich bin, sehe ich ihm
diese Unwissenheit nach und bin gern bereit, diese Aufgaben zu erledigen. Nur soll
er sie mir endlich geben! Ein finanzielles Entgelt, Gehalt im Fachjargon, wäre auch
nicht schlecht. Dies ist der zweite Monat auf Entzug, und allmählich lechzt mein
Bankkonto wie ein Verdurstender bei Sichtung einer Fata Morgana.
    Ein Trostpflaster wäre es, könnte
ich meinem Unmut darüber Luft machen. Bei meinen Freundinnen beispielsweise. Bei
wenigstens einer von ihnen. Eine Freundin ist schließlich Vertraute, Seelenverwandte,
Retterin in der Not, Lästerschwester, Trinkkumpanin und so vieles mehr. Eine Freundin
ist nicht ersetzbar, nicht wegzudenken und ich darf mich glücklich schätzen, drei
solche Frauen in meinem Leben zu haben. Nein, keine Bekannten, die ich alle paar
Monate treffe, sondern richtige Freundinnen, wie oben beschrieben. Das ist Luxus.
    Dummerweise befindet sich Lilly
im Urlaub, Hannah auf Geschäftsreise und Nina hat Nachtdienst, weshalb sie den ganzen
Tag schläft. Von allen unglücklichen Umständen ist dies derjenige, der mich am meisten
frustriert.
    Ein Kissen in der Umarmung, ein
zweites unter dem Kopf drifte ich in einen

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