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Tausche Brautschuh gegen Flossen

Tausche Brautschuh gegen Flossen

Titel: Tausche Brautschuh gegen Flossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliane Kobjolke
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Ich muss über
mich selbst lachen, als ich das Bonbon säuberlich auf meinem Shirt zentriere, sodass
es dort festklebt und funkelt wie ein unbezahlbarer Bernstein.
    Fünf Minuten vor 21 Uhr bin ich
bei McDonald’s. Ich gehe hinein, kaufe einen kleinen Erdbeermilchshake und warte
an einem Tisch am Fenster.
    Eine Stunde später hole ich mir
einen weiteren Shake – einen großen diesmal. Die Bedienung hinter der Theke schielt
auf mein Bonbon, ich versuche, darüber zu lächeln, doch es fällt mir nicht mehr
ganz so leicht. Auf dem Weg zurück zum Tisch ist mir endgültig zum Heulen zumute.
    Abwechselnd starre ich zur Eingangstür
und auf den Parkplatz, warte auf die richtige Form der Scheinwerfer, auf die richtige
Wagenfarbe, auf den richtigen Mann, der aussteigt.
    Lukas kommt nicht!
    Das kann doch nicht sein!
    Was zur Hölle ist in diesem Wüstenurlaub
passiert?
    Er will mich nicht mehr?
    Soll ich ihn anrufen?
    Ich krame mein Handy aus der Tasche,
suche seine Nummer heraus, klappe es aber zu, bevor es fertig gewählt hat. Einen
halb verzweifelten Laut ausstoßend, werfe ich es neben mich.
    Ich kann ihn nicht anrufen und fragen,
wo er bleibt. Wir müssen beide hier sein – freiwillig –, um es gutzumachen. Wenn
einer von uns fehlt … nun ja, dann hat derjenige für sich entschieden.
    Um 23 Uhr rupfe ich das Bonbon von
meinem T-Shirt und stecke es in meinen Mund. Ich lutsche es nicht, sondern beiße
darauf und zerkaue es.
    Am Nachbartisch sitzen vier Mädchen,
die Hannah, Nina, Lilly und ich vor zehn Jahren hätten gewesen sein können. Sie
beobachten mich und kichern. Besonders, als ich mein Bonbon esse. Wahrscheinlich
halten sie mich für verrückt.
    Wahrscheinlich bin ich das.
    Was mache ich hier überhaupt noch?
    Warum fahre ich nicht nach Hause,
schnappe meinen Kater und heule in sein Fell?
    Bedaure ich, mich auf diesen Deal
eingelassen zu haben? War es von vornherein Lukas’ Absicht, nicht zu erscheinen?
    Bereue ich es, nach Teneriffa geflogen
zu sein?
    Nein, Lowenstein, dich bedauere
ich nicht. Du hast mir gutgetan.
    Würde ich hier sein, wenn ich geahnt
hätte, dass Lukas nicht kommt?
    Ja, auch dann. Es ist ein Statement.
Mein Statement. Ich will mit ihm mein Leben verbringen – und das wird er jetzt nie
erfahren.
    Kurz vor Mitternacht gehe ich.
    Du hast verloren, Lena Scholl, sage
ich mir im Stillen, als ich in die kalte, klare Winternacht trete, und wische eine
Träne weg, die sich endlich freigekämpft hat. Es folgen mehr. Sie lassen die Lichter
des Parkplatzes verschwimmen. Schniefend gehe ich in Richtung meines Wagens.
    Ein Fluch löst sich aus meiner Kehle,
als mein Absatz in einer Rille zwischen zwei Pflastersteinen stecken bleibt – wahrscheinlich
ist es dieselbe verdammte Rille wie damals. In all den Jahren hätte das ja eigentlich
mal ausbessert werden können!
    Mit einem weiteren Fluch, einem
Schluchzen und einem Ruck befreie ich den Stiefel.
    Und stolpere.
Einen Schritt. Noch einen. Während ich versuche, meine Balance wiederzufinden, sehe
ich das Auto, das in einer schon fahrlässigen Geschwindigkeit um die Kurve biegt.
Seine Scheinwerfer kommen näher und näher, und ich strecke die Hände aus, wie zum
Schutz oder als könnte ich den Zusammenprall aufhalten, kneife die Augen zu und
warte.
    Bremsen quietschen. Der Motor erstirbt.
Vorsichtig linse ich zwischen den Wimpern hindurch.
    Ich kenne diesen Wagen!
    Natürlich kenne ich diesen Wagen!
    Mein Herz startet einen so wilden
Galopp, dass es schmerzt, und mit einem Gefühl, das einem Schock am nächsten kommt,
bette ich meine Wangen in den Händen. Und heule. Vor Freude. Vor Erleichterung.
Vor Glück. Noch nie war ich so froh darüber, beinahe überfahren worden zu sein.
    Lukas steigt aus. Er kommt zu mir.
Ohne ein Wort nimmt er mich in die Arme, drückt mich fest an sich und küsst meine
Stirn.
    »Himmel, ich bin so froh, dass du
noch da bist«, flüstert er.
    »Wo warst du denn nur?«, flüstere
ich zurück.
    »Wir sind mit drei Stunden Verspätung
gestartet.«
    »Warum hast du nicht angerufen?
Ich bin halb wahnsinnig geworden.«
    »Dann hätte ich unsere Abmachung
gebrochen.«
    Minutenlang verharren wir in unserer
Umarmung. Lukas’ Wagen blockiert die Straße und zwei dahinter wartende Autos beginnen
zu hupen. Es stört uns nicht.
    Lukas löst sich von mir, um mich
anzusehen. Da sind sie, seine schönen grünen Augen, die ich so liebe. Wie ich alles
an diesem Mann liebe.
    Er küsst mich, betrachtet mich wieder
und beginnt zu

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