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Tausend strahlende Sonnen

Tausend strahlende Sonnen

Titel: Tausend strahlende Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Khaled Hosseini
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Norden und Osten. In der Ferne waren Donnerschläge zu hören. Schwarzer Rauch stieg auf.
    »Was ist los, Raschid?«, fragte sie. »Was hat das zu bedeuten?«
    »Weiß Gott«, murmelte er. Das Radio gab nur ein Rauschen von sich.
    »Was machen wir jetzt?«
    Nervös antwortete er: »Wir warten ab.«
    Später am Tag, als sich Raschid immer noch am Radio zu schaffen machte, ging Mariam in die Küche und kochte Reis und Spinat. Sie erinnerte sich daran, dass es einmal eine Zeit gegeben hatte, in der sie gern für Raschid gekocht und sich sogar darauf gefreut hatte, ihm eine Mahlzeit vorzusetzen. Jetzt machte ihr die Arbeit am Herd zusätzlich Angst. Die qurmas waren ihm immer zu salzig oder zu fad, der Reis entweder zu matschig oder zu trocken, das Brot zu weich oder zu hart. Seine Beschwerden ließen sie an sich selbst zweifeln.
    Als sie ihm sein Essen brachte, tönte die Nationalhymne aus dem Radio.
    »Ich habe sabzi gemacht«, sagte sie.
    »Stell den Teller ab und sei ruhig.«
    Nach der Hymne meldete sich die Stimme eines Mannes, der sich als Generalleutnant Abdul Kadir vorstellte. Er berichtete, dass die Vierte Panzerdivision seit dem Vormittag den Flughafen und strategische Schlüsselpositionen in der Stadt besetzt halte. Eingenommen seien auch Radio Kabul, die Ministerien für Kommunikation und Inneres sowie das Außenministerium. Kabul, so verkündete er stolz, befinde sich nun in der Hand des Volkes.
    MIG-Kampfjets hätten den Präsidentenpalast angegriffen; Panzer waren vorgerückt. Aufständische und Daouds Truppen lieferten sich dort noch heftige Gefechte. Überall sonst sei aber die Lage unter Kontrolle, beruhigte Abdul Kadir.
    Tage später, als die Kommunisten damit anfingen, Anhänger des Regimes von Daoud Khan im Schnellverfahren hinzurichten und Gerüchte von grausamen Folterungen im Kabuler Pol-e-Charkhi-Gefängnis die Runde machten, hörte auch Mariam von dem Gemetzel, das vor dem königlichen Palast stattgefunden hatte. Daoud Khan war tatsächlich getötet worden, aber zuerst hatten an die zwanzig Mitglieder seiner Familie einschließlich der Frauen und Enkelkinder dran glauben müssen. Manche behaupteten, er habe sich selbst das Leben genommen, andere wollten bezeugen können, dass er in der Schlacht gefallen sei, und wiederum andere beteuerten, man habe ihn gezwungen, das Massaker an seiner Familie mit anzusehen, und ihn danach erschossen.
    Raschid drehte die Lautstärke seines Radios auf und rückte näher an den Apparat.
    »Die Streitkräfte haben einen Revolutionsrat ins Leben gerufen. Unser watan trägt von nun an den Namen Demokratische Republik Afghanistan«, sagte Abdul Kadir. »Mit der Aristokratie, Vetternwirtschaft und Ungleichheit ist es ein für alle Mal vorbei, Genossen hamwatans . Wir haben Jahrzehnte der Tyrannei an den Wurzeln ausgerissen. Die Macht liegt nun in den Händen friedliebender Menschen. Eine ruhmreiche neue Ära hat für unser Land begonnen. Afghanistan wurde neu geboren. Wir versichern euch, dass ihr nichts zu befürchten habt, Genossen, Afghanen. Die neue Regierung wird den Grundsätzen des Islam und der Demokratie äußersten Respekt entgegenbringen. Wir haben allen Grund zur Freude und zum Feiern.«
    Raschid schaltete das Radio aus.
    »Ist das jetzt gut oder schlecht?«, fragte Mariam.
    »Schlecht für die Reichen, wie es scheint«, antwortete Raschid. »Für unsereins vielleicht nicht ganz so schlecht.«
    Mariam dachte an Jalil. Sie fragte sich, ob die Kommunisten ihm nachstellen, ihn und seine Söhne womöglich ins Gefängnis sperren und seine Geschäfte, all seinen Besitz beschlagnahmen würden.
    »Ist der auch warm genug?«, sagte Raschid mit Blick auf den Reis.
    »War soeben noch im Topf.«
    Er brummte vor sich hin und forderte sie auf, ihm den Teller zu reichen.
    Während in der Nacht rote und gelbe Blitze am Horizont aufleuchteten, lag Fariba erschöpft, mit verklebtem Haar und schweißnassem Gesicht auf ihrem Bett, den Oberkörper, leicht angehoben, auf die Ellbogen gestützt. Wajma, eine ältliche Hebamme, stand daneben und zeigte Faribas Mann und den beiden Söhnen das Neugeborene. Sie bestaunten das helle Haar des kleinen Mädchens, die rosigen Wangen, die winzigen Lippen und jadegrünen Augen, die sich hinter dem Schlitz der geschwollenen Lider hin und her bewegten. Sie lächelten, als sie sein Stimmchen zum ersten Mal hörten; es erschien zuerst wie das Mauzen eines Kätzchens, schwoll dann aber zu einem gesunden kehligen Schrei an. Noor verglich die Augen

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