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Tausend strahlende Sonnen

Tausend strahlende Sonnen

Titel: Tausend strahlende Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Khaled Hosseini
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die schulterlangen blonden Locken. Mami behauptete, dass Laila ihre Haarfarbe von der Urgroßmutter, Mamis Großmutter, geerbt habe, so auch die türkisgrünen Augen mit den dichten Wimpern, die Wangengrübchen und die volle Unterlippe. »Sie war ein pari , eine Augenweide, sagte Mami von ihrer Großmutter. »Von ihrer Schönheit wurde im ganzen Tal geschwärmt. Sie hat zwei Generationen in unserer Familie übersprungen, aber mit dir, Laila, ist sie wieder voll zur Entfaltung gekommen.« Das Tal, auf das sich Mami bezog, war das Pandschir-Tal hundert Kilometer nordöstlich von Kabul, die Region der Farsi-sprechenden Tadschiken. Dort waren auch Mami und Babi als Cousin und Cousine ersten Grades zur Welt gekommen und aufgewachsen, ehe sie in den sechziger Jahren, frisch verheiratet, nach Kabul gingen, weil Babi eine Zulassung zum Universitätsstudium erworben hatte.
    Auf Zehenspitzen schlich Laila an Mamis Zimmer vorbei und die Treppe hinunter. Unten angekommen, sah sie Babi vor der Fliegengittertür knien.
    »Hast du das gesehen, Laila?«
    Babi machte auf einen Riss aufmerksam, den es schon seit Wochen in der Tür gab. Laila kauerte sich neben ihn. »Nein. Scheint neu zu sein.«
    »Genau das habe ich auch deiner Mutter gesagt.« Er machte einen zerknitterten Eindruck, wie immer, wenn Mami mit ihm fertig war. »Sie beklagt sich über die vielen Bienen im Haus.«
    Babi war ein kleiner Mann mit schmalen Schultern und schlanken, zarten, fast fraulich wirkenden Händen. Wenn Laila ihn abends in seinem Zimmer aufsuchte, sah sie ihn fast immer vor einem aufgeschlagenen Buch sitzen, die Brille auf der Nasenspitze. Manchmal bemerkte er sie gar nicht, wenn aber doch, legte er ein Lesezeichen zwischen die Seiten und lächelte sie mit geschürzten Lippen an. Babi kannte einen Großteil der Gaselen von Rumi und Hafis auswendig. Er konnte stundenlang vom Kampf der Briten mit dem zaristischen Russland um Afghanistan erzählen. Er wusste den Unterschied zwischen Stalaktiten und Stalagmiten zu erklären und hatte ausgerechnet, dass der Abstand zwischen Erde und Sonne eine halbe Million Mal größer ist als die Entfernung zwischen Kabul und Ghazni. Wenn es aber darum ging, den Deckel eines Marmeladenglases zu öffnen, musste sich Laila an Mami wenden, was ihr immer ein wenig wie Verrat vorkam. Mit praktischen Dingen war Babi überfordert. Unter seiner Verwaltung blieben quietschende Türangeln auf ewig ungeölt, ein angeblich geflicktes Leck im Dach ließ mehr Regenwasser durchsickern als vorher, und der Schimmel in den Küchenschränken wucherte ungehindert weiter. Mami sagte, dass sich Ahmad um all diese Dinge gekümmert habe, bevor er 1980 zusammen mit Noor in den Dschihad gegen die Sowjets gezogen war.
    »Aber wenn du ein Buch hast, das dringend gelesen werden muss, ist Hakim genau der Richtige«, frotzelte sie.
    Laila allerdings wurde das Gefühl nie los, dass ihre Mutter vor dem Tag, als Ahmad und Noor in den Krieg gezogen waren – bevor Babi dies zugelassen hatte –, die schrullige Stubengelehrsamkeit ihres Mannes freundlicher aufgenommen und sie früher einmal seine Vergesslichkeit und Ungeschicklichkeit durchaus charmant gefunden hatte.
    »Na, den wievielten Tag haben wir denn heute?«, fragte er verschmitzt. »Den fünften? Oder schon den sechsten?«
    »Was weiß ich? Glaubst du etwa, ich zähle mit?«, entgegnete Laila und zuckte mit den Achseln, freute sich aber im Stillen über sein Mitgefühl. Mami hatte gar nicht zur Kenntnis genommen, dass Tarik weggefahren war.
    »Wart’s ab, eh du dich versiehst, wird er wieder seine Blinklichter setzen«, sagte Babi in Anspielung auf Lailas und Tariks allnächtlichen Austausch von Grußnoten per Taschenlampe. Die beiden spielten dieses Spiel schon so lange, dass es ihnen so selbstverständlich war wie das Zähneputzen vorm Zubettgehen.
    Babi griff mit der Hand durch den Riss. »Den sollte ich also dann wohl so schnell wie möglich flicken. Aber jetzt müssen wir uns beeilen.« Und mit lauter Stimme rief er durch den Flur: »Wir gehen jetzt, Fariba. Ich bringe Laila zur Schule. Vergiss nicht, sie abzuholen.«
    Als Laila draußen auf den Gepäckträger von Babis Fahrrad stieg, fiel ihr ein Auto auf, das vor dem Haus parkte, in dem der Schuhmacher Raschid und seine scheue Frau wohnten. Es war ein dunkelblauer Benz mit einem weißen Mittelstreifen auf Motorhaube, Dach und Kofferraum. Laila sah zwei Männer darin sitzen, den einen hinterm Steuer, den anderen auf der Rückbank.
    »Wer

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