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Tausend strahlende Sonnen

Tausend strahlende Sonnen

Titel: Tausend strahlende Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Khaled Hosseini
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berichtete er. »Hast du davon gehört? Schwestern. Vergewaltigt alle drei. Mit aufgeschlitzten Kehlen. Jemand hat ihnen die Ringe von den Fingern gebissen. Das war an den Spuren zu erkennen, die eindeutig von Zähnen …«
    »Davon will ich nichts hören.«
    »Ich wollte dich nicht aufregen«, sagte Tarik. »Aber ich … Mit dem Ding fühle ich mich sicherer.«
    Er war jetzt ihr Informant. Er schnappte auf, was in den Straßen gesprochen wurde, und gab es weiter an sie. So erfuhr sie auch, dass sich in den Bergen Milizionäre verschanzt hatten, die auf ihre Treffsicherheit Wetten setzten und wahllos auf Zivilisten schossen, auf Männer, Frauen und Kinder. Er sagte, dass sie Raketen auf Autos abfeuerten, Taxis aber aus irgendwelchen Gründen verschonten – was erklärte, warum sich in letzter Zeit viele beeilten, ihre Autos gelb zu lackieren.
    Innerhalb von Kabul, so berichtete Tarik, würden sich immer wieder Grenzen und Zonen verschieben. Ihre Straße zum Beispiel gehöre bis zur zweiten Akazie auf der linken Seite dem einen Warlord und die nächsten vier Blocks, die bis zur Bäckerei neben der zerstörten Apotheke reichten, einem anderen. Wenn man von hier aus achthundert Meter nach Westen gehe, sei man im Territorium eines dritten Warlords und dessen Scharfschützen ausgeliefert. So also wurden jetzt Mamis Helden genannt, dachte Laila. Warlords. Oder auch tofangdar , Jäger. Manche bezeichneten sie nach wie vor als Mudschaheddin, wobei sie allerdings eine verächtliche Miene aufsetzten und das Wort wie eine Beleidigung aussprachen.
    Tarik ließ das Magazin einschnappen.
    »Hättest du das Zeug dazu?«, fragte Laila.
    »Wozu?«
    »Abzudrücken. Jemanden zu töten.«
    Tarik steckte die Waffe hinter den Bund seiner Jeans. Und dann sagte er etwas, das schön und schrecklich zugleich war. »Für dich würde ich’s tun, Laila.«
    Er rückte näher an sie heran. Ihre Hände berührten sich, dann noch einmal. Als er vorsichtig versuchte, seine Finger mit ihren zu verschränken, ließ es Laila zu. Und als er sich plötzlich über sie beugte und ihr seine Lippen auf den Mund drückte, war sie auch damit einverstanden.
    In diesem Moment hatte das, was Mami über den guten Ruf und Beos sagte, für Laila keine Bedeutung. Ja, es erschien ihr geradezu absurd. Denn in Anbetracht der schrecklichen Gewalttaten und Verwüstungen ringsum war es doch wahrhaftig harmlos, hier unter einem Baum zu sitzen und Tarik zu küssen. Eine durchaus verzeihliche Nachgiebigkeit. Also ließ sie sich küssen, und als er seinen Mund von ihrem löste, beugte sie sich mit pochendem Herzen und heißen Lippen vor, um ihn zu küssen.
    Im Juni desselben Jahres, 1992, kam es im Westen Kabuls zu schweren Kämpfen zwischen Sayyafs paschtunischen Truppen und den Hazaras der Wahdat-Fraktion. Granaten rissen Strommasten um und pulverisierten Geschäfts- und Wohnblocks. Laila hörte, dass Milizionäre der Paschtunen in Häuser der Hazaras eindrangen und ganze Familien auslöschten. Die Hazaras übten Vergeltung; sie entführten paschtunische Zivilisten, vergewaltigten paschtunische Mädchen, nahmen paschtunische Nachbarschaften unter Mörserbeschuss und mordeten blindwütig. Tagtäglich fand man Tote, an Bäume gebunden, manche bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. Vielen waren die Augen ausgestochen und die Zunge herausgeschnitten worden.
    Babi versuchte zum wiederholten Mal, Mami davon zu überzeugen, dass es besser sei, Kabul zu verlassen
    »Sie werden’s schon richten«, sagte Mami. »Die Kämpfe sind bald zu Ende. Dann setzen sich alle an einen Tisch und verhandeln.«
    »Fariba, diese Leute kennen nur eins, und das ist Krieg«, entgegnete Babi. »Schon beim Laufenlernen hatten sie in der einen Hand eine Milchflasche und in der anderen eine Waffe.«
    »Du meinst, du kannst dir ein Urteil erlauben?«, blaffte Mami. »Hast du am Dschihad teilgenommen? Hast du alles aufgegeben und dein Leben riskiert? Wenn es die Mudschaheddin nicht gäbe, wären wir immer noch Sklaven der Sowjets. Du willst doch nicht etwa, dass wir sie verraten.«
    »Wir sind es nicht, die des Verrats schuldig sind, Fariba.«
    »Dann geh doch. Nimm deine Tochter und mach dich aus dem Staub. Schick mir eine Postkarte. Ich jedenfalls werde bleiben und darauf warten, dass Frieden einkehrt.«
    Babi stürmte aus ihrem Zimmer.
    In den Straßen war es so gefährlich, dass er einen für ihn besonders bitteren Entschluss gefasst und Laila aus der Schule genommen hatte.
    Er gab ihr nun selbst

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