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Tausend strahlende Sonnen

Tausend strahlende Sonnen

Titel: Tausend strahlende Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Khaled Hosseini
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anhalten. Sein Segen ist uns gewiss, Laila; davon bin ich überzeugt.«
    Tarik hatte recht. Babi würde zustimmen. Aber es würde ihn auch zerbrechen lassen.
    Tarik redete weiter, mal mit gedämpfter Stimme, flehend, dann mit Nachdruck und vernünftigen Argumenten, seine Miene mal hoffnungsvoll, mal verzweifelt.
    »Ich kann nicht«, sagte Laila.
    »Sag so etwas nicht. Ich liebe dich.«
    »Es tut mir leid …«
    »Ich liebe dich.«
    Wie lange hatte sie darauf gewartet, diese Worte von ihm zu hören? Wie oft hatte sie geträumt, dass er sie ausspräche? Jetzt endlich tat er es, und die Ironie der Umstände stieß ihr bitter auf.
    »Es ist wegen meines Vaters«, versuchte Laila zu erklären. »Ich bin sein Ein und Alles. Er würde es nicht verkraften, wenn ich ginge.«
    Tarik wusste es. Er wusste, dass sie sich über manche Dinge im Leben ebenso wenig hinwegsetzen konnte wie er. Trotzdem ging es noch eine Weile hin und her mit seinen Bitten und ihrer Ablehnung, mit seinen Vorschlägen und ihren Entschuldigungen, mit seinen und ihren Tränen.
    Am Ende musste Laila ihn drängen zu gehen.
    Vor der Tür nahm sie ihm das Versprechen ab, auf einen Abschied zu verzichten. Sie schloss die Tür und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. Sein Pochen von außen ging ihr durch Mark und Bein. Mit einem Arm hielt sie den Bauch umfasst, und die Hand vor den Mund gepresst, hörte sie ihn beteuern, dass er zu ihr zurückkehren würde. Sie rührte sich nicht, bis er endlich, müde geworden, aufgab und ging. Sie lauschte seinen hinkenden Schritten, bis nichts mehr zu vernehmen war außer dem Gewehrfeuer in den Bergen und den eigenen Herzschlägen, die ihren ganzen Körper vibrieren ließen.

26
    Es war der mit Abstand heißeste Tag des Jahres, die Stadt wie gelähmt von der drückenden Hitze, die sich zwischen den Bergen aufgestaut hatte. Seit Tagen gab es keinen Strom mehr. Die elektrischen Ventilatoren standen still, fast wie zum Hohn.
    Laila lag reglos und mit durchgeschwitzter Bluse auf der Couch im Wohnzimmer. Beim Ausatmen streifte heiße Luft die Nasenspitze. Die Eltern waren, wie sie hörte, in Mamis Zimmer und diskutierten miteinander. In der letzten und vorletzten Nacht war sie von ihren Stimmen geweckt worden. Seit der Querschläger ein weiteres Loch in die Außenpforte gerissen hatte, sprachen sie täglich miteinander.
    Draußen dröhnte fernes Artilleriefeuer, gefolgt von hämmernden Gewehrsalven aus der Nähe.
    Auch in Laila herrschte Krieg: zwischen Schuld und Scham auf der einen und der Überzeugung auf der anderen Seite, dass es keine Sünde war, was sie und Tarik getan hatten, dass es vielmehr ganz natürlich, gut und schön war, ja sogar unausweichlich, angetrieben von dem Wissen, dass sie sich womöglich nie wieder sehen würden.
    Laila drehte sich auf die Seite und versuchte, ihrem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen. Über ihr am Boden liegend und den Kopf an ihre Stirn geneigt, hatte Tarik etwas gekeucht. War es Tu ich dir weh? oder Tut es weh?
    Laila wusste nicht mehr, ob es die eine oder andere Wendung war.
    Er war erst zwei Wochen fort, und schon verwischten sich die Erinnerungen. Laila konzentrierte sich. Was genau hatte er gesagt? Es war ihr plötzlich überaus wichtig.
    Laila schloss die Augen und dachte angestrengt nach.
    Mit der Zeit würde sich die Kraft für solche Versuche erschöpfen. Es würde ihr zunehmend schwerfallen, heraufzubeschwören und wiederzubeleben, was längst verloren war. Irgendwann, in ein paar Jahren vielleicht, würde sie seinen Verlust nicht länger beklagen. Jedenfalls nicht mehr so untröstlich. Die Erinnerungen würden verblassen, und wenn auf der Straße eine Mutter ihr Kind bei Tariks Namen riefe, würde sie davon nicht mehr aus der Fassung gebracht werden. Sie würde ihn nicht mehr so sehr vermissen wie jetzt, da sie der Kummer über seine Abwesenheit ständig begleitete – wie der Phantomschmerz in einem amputierten Glied.
    Es sei denn, die Erinnerungen an jenen Nachmittag zu zweit würden plötzlich und überraschend wieder lebendig, ausgelöst durch irgendeinen Umstand oder irgendeine Tätigkeit, vielleicht, wenn sie ein Hemd bügelte oder ihre Kinder auf einer Schaukel anstieße. Dann wäre womöglich alles wieder da. Die Spontaneität ihres Tuns. Ihre erstaunliche Unvorsichtigkeit. Ihre Unbeholfenheit. Der Schmerz, die Wonne und die Traurigkeit darin. Die Hitze ihrer aneinandergeschmiegten Körper.
    Die Erinnerungen würden sie überschwemmen und ihren Atem stocken

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