Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen
verpflichten wolle, um die Geschenke zu suchen, die er uns als Zeichen der Dankbarkeit für die wiedererlangte Freiheit zu schenken gedächte. Schließlich gewährten wir ihm die Bitte. Er sagte uns Lebewohl, doch bat er uns vorher noch, uns in zwei Tagen am gleichen Orte einzufinden; und alsobald sahen wir ihn im Meere untertauchen. Wir kehrten am bezeichneten Tage zurück und waren pünktlich zur Stelle. Der Meermann erschien im Gefolge mehrerer anderer Männer seiner Gattung, die sehr ehrerbietig ihm gegenüber waren. Sie waren beladen mit einer verschwenderischen Menge von Edelsteinen, die uns der Mann, dem wir das Leben geschenkt hatten, darbot. Die Steine, die du hier siehst, gehören zu ihnen; wir gaben unsern Fischerberuf auf; nachdem wir unsern Vater versorgt hatten, daß es ihm an nichts fehlen kann, haben meine drei Brüder und ich uns die Geschenke des Meermannes in vier Teile geteilt und den Edelsteinhandel in den verschiedenen Städten, die wir für unser Unternehmen erwählten, aufgenommen!‹ ›Die Schönheit der Steine bestätigt die Wahrheit der Geschichte‹, versetzte der König mit Verwunderung; und sich gegen Dscherberi wendend, sprach er solcherart zu ihm: ›Was sagst du zu dem, was du eben siehst und hörst; sonder Zweifel wird dich der Anblick solcher Schätze hindern, mir den Stein zu zeigen, den du mir mit so viel Lobreden ankündigen ließest!‹ Dscherberi sagte darauf: ›O Gebieter, wenn ich nicht versprochen hätte, deiner Erhabenheit eines der Weltwunder zu zeigen, so würden mich alle diese Steine und die Geschichte dazu veranlassen. Die Abenteuer dieses Handelsmannes und meine beweisen, daß der Zufall für das Auffinden der schönsten Dinge günstiger ist als die peinlichsten Nachsuchungen!‹ Dann zeigte er seinen Karfunkel. Der Sultan wurde von ihm geblendet; der Kaufmann aus Bassorah jedoch packte schnell all seine Steine ein und entfernte sich. Dscherberi sprach zum Könige: ›O Fürst, solches Stück, das vorher zweifelsohne dem größten Sultan der Welt gehörte, darf nicht von deinem Hofe kommen; ich bitte deine Erhabenheit inständigst, es anzunehmen, und bin zu glücklich, daß das Schicksal mich ausersehen hat, um es dir zum Geschenk zu machen!‹ Dem Sultan aber schmeichelte seine Rede; er war ob seiner Freigebigkeit gerührt und sagte zu seinem Wesir, man solle ihm fürs erste fünfmalhunderttausend Golddinare, tausend Stücke Brokat, zwei Pferde und zehn Ehrenkleider reichen. ›Das ist nicht alles,‹ sprach der König, ›ich wünsche zu erfahren, auf welche Weise dieser köstliche Karfunkel in deine Hände gekommen ist!‹ ›Nicht allein solches soll deine Erhabenheit erfahren,‹ sagte Dscherberi darauf, ›sondern auch alles, was einem deiner treuesten Sklaven zugestoßen ist, wenn du mir die Gnade des Zuhörens erweisen willst!‹Und er erzählte ihm ausführlich, was ich dir, o Herr, soeben erzählt habe; der König war nun ob aller guter Eigenschaften, die er an ihm entdeckte, so entzückt, daß er sich nicht mehr von ihm trennen wollte, und machte ihn zu seinem Wesir; der frühere gefiel ihm aus einem besonderen Grunde nicht mehr. Dscherberi hatte diese Würde lange Jahre hindurch inne, füllte sie ehrenvoll aus und behielt sie bis zu seinem Tode. – –«
»Ich billige die Wahl des alten Perserkönigs sehr«, sagte Hudschadsch, »und glaube, daß ein durch Unglück erprobter Mensch, der seine Seele stets in vollkommener Gleichheit bewahrt hat, würdig ist, den Weltkreis zu beherrschen. Ich würde glücklich sein, wenn ich einen derartigen Diener fände!«
Moradbak war entzückt ob solcher königlichen Rede und erfaßte diese Gelegenheit, sich gegen den Weisen Abumelek dankbar zu erzeigen und ihn aus seinen Ketten zu erlösen. »O Gebieter,« sprach sie zum König, »deine Erhabenheit besitzt einen ähnlichen Schatz. Wenn deine Sklavin Gnade vor deinen Augen gefunden hat,« fuhr sie fort und warf sich ihm zu Füßen, »geruhe Abumelek, der seit zehn Jahren in Ketten schmachtet, die Freiheit zu geben. Er ist es, o Herr, dem du die glückliche Ruhe, die in deinen Sinnen zu herrschen anfängt, verdankst. Seit ich die Ehre hatte, vor dir zu erscheinen, hat er mich jeden Tag wissen lassen, was ich deiner Erhabenheit erzählen mußte!« Hudschadsch erinnerte sich dann Abumeleks und machte sich Vorwürfe, seine Tugenden unterdrückt zu haben, auch bereute er alle Grausamkeiten, welchen er ihn ausgesetzt hatte; mehr aber noch wurde er von Moradbaks Dankbarkeit
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