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Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen

Titel: Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymer Verfasser
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alsobald zu seinen Hauptleuten und sagte zu ihnen: ›Sucht mir gleich diesen findigen Mann, führt ihn vor mich; und wenn er den nicht findet, den man sucht, soll er in der Weise bestraft werden, daß er sich kein zweites Mal einredet, mehr als die Wesire des Sultans zu wissen.‹ Es währte nicht lange, und die Hauptleute des Wesirs brachten Dscherberi vor ihn. ›Kennst du diese Frau?‹ fragte der Wesir, als er ihn auftauchen sah. ›Nein, o Herr,‹ entgegnete Dscherberi. ›Du kennst also ihren Sohn?‹ ›Noch weniger‹, erwiderte er. ›Bist du mit seinem Mörder bekannt?‹ ›Ich weiß nicht mehr von ihm als du‹, sagte der Lastträger darauf. ›Wie willst du ihn denn ausfindig machen?‹ fragte der Wesir voll Ungeduld. ›Wenn ich deine Macht hätte,‹ fuhr Dscherberi sicheren Tones fort, ›würde ich morgen mittag wissen, wer den Sohn dieses armen Weibes getötet hat!‹ ›Ich gebe sie dir bis dahin,‹ entgegnete der Wesir; ›und um sie auszuüben, kannst du alles befehlen, was du willst; hast du aber keinen Erfolg, so verspreche ich dir eine Tracht von fünfhundert Sohlenstreichen!‹ ›Dem stimme ich zu‹, antwortete ihm der Lastträger.
    Dscherberi befahl alsbald einem Hauptmann der Polizei, nach der Moschee zu gehen, die dem Hause der trostlosen Mutter am nächsten läge; dort solle er eintreffen, wenn der Tag zur Rüste ginge, und an der Türe den Muezzin erwarten, der von dem Minarett riefe, und ihm beim Herauskommen einige Backenstreiche geben, die Hände binden und vor ihn führen. Der Hauptmann nun führte Dscherberis Befehl genau aus.
    Als der Muezzin vor ihm stand, entschuldigte sich Dscherberi vielmals, daß man ihn mißhandelt habe, und verlangte, man solle ihm zehn Dinare als Trostgeld geben. Dann ließ er jedermann hinausgehen und befahl ihm, allen, die ihn fragten, warum man ihn gefangengenommen hätte, zu sagen, man habe ihn mit einem andern verwechselt. Vor allen Dingen aber befahl er ihn, während der Nacht zum Gebete zu rufen und sogleich von dem Minarett herabzusteigen, um allen Rede zu stehen, die wissen wollten, warum er zu einer so ungehörigen Stunde zum Gebet rufe; besonders aber solle er sich den merken, der diese Frage zuerst an ihn stelle. Sehr zufrieden entfernte sich der Muezzin und tat alles, was ihm befohlen worden war, und hatte kaum zum Gebet gerufen, als ein junger Mensch auf ihn zustürzte und ihn fragte, warum man ihn verhaftet hätte. Als man Dscherberi von diesem Vorfalle Nachricht gegeben hatte, ließ er sich den jungen Mann, der eine so große Neugier gezeigt hatte, vorführen und ihm eine so heftige Tracht Prügel geben, bis er auf das ausführlichste eingestand, auf welche Weise er den ermordet Aufgefundenen getötet hatte; der fügte hinzu, daß ihn die Furcht, entdeckt zu werden, auf alle außergewöhnlichen Geschehnisse aufmerksam gemacht und ihn bestimmt hätte, sich über die Ursache, weshalb das Gebet zu einer so ungehörigen Stunde ausgerufen wurde, zu erkundigen, sintemal ihm alles nach dem Verbrechen, das er begangen hätte, verdächtig vorgekommen sei. Dscherberi überantwortete, dem Gesetze folgend, den Mörder der Mutter, und die bat um seinen Tod, welches ihr zugestanden wurde.
    Der Wesir, der über Dscherberis Verstand und Urteilskraft erstaunt war, wünschte seine Lebensgeschichte zu hören, der erzählte sie ihm denn; der Minister aber warf ihm vor, warum er einen so elenden Beruf wie den eines Lastträgers ergriffen habe, und bestimmte ihn, in die Truppen einzutreten, die der Kalif gegen die Gebern, die persischen Feueranbeter, entsandte. Und er freute sich, auf diese Weise das Ansehen zu haben, als wolle er ihn ob seines Verdienstes auszeichnen, während er doch einen Menschen aus der Stadt entfernen wollte, den der Kalif für sich und seine Ämter verpflichten konnte, wenn er jemals davon sprechen hörte.
    Dscherberi leistete Erstaunliches an Tapferkeit und Stärke auf den Zügen, die man gegen die Gebern unternahm. Doch da er sich zu sehr auf seinen Mut verließ, wurde er gefangengenommen; und während seine Feinde über die Todesart berieten, der sie ihn preisgeben wollten, um alle Unbill zu rächen, die er ihnen angetan hatte, betete er das einhundertundfünfzehnte Kapitel des Korans, zerbrach seine Ketten, erwürgte den Kerkermeister, der seine Flucht verhindern wollte, und schlug sich aus Furcht, wieder in die Hände seiner Feinde zu fallen, in die Einöde, wo er sich lange Zeit von Früchten und Wurzeln nährte. Endlich kam er

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