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Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen

Titel: Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymer Verfasser
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wegzunehmen!‹ Der Schatzmeister wußte nichts zu seiner Rechtfertigung zu sagen und wurde vom Könige zum Tode verurteilt; der aber gab Leich sein Amt, der dem Vertrauen des Fürsten entsprach und ihm alle mögliche Treue bewies.
    Nachdem er dies Amt mehrere Jahre verwaltet hatte, machte ihn der König zum Oberbefehlshaber seiner Heere; er erwarb sich einen guten Ruf in dieser neuen Würde; und seine drei Kinder, die er hinterließ, zeichneten sich durch ihren Mut aus und kamen zur Herrschaft, die ihre Nachkommen lange Zeit über behauptet haben.
    »Ich glaube,« fuhr Moradbak fort, »wenn deine Erhabenheit jetzt von Leichs Betragen überzeugt ist, daß du dann Dscherberi die hundert Dinare nicht absprechen wirst; und wenn du Lust verspürst, die Fortsetzung seiner Geschichte zu hören, so erzähle ich sie morgen!« Hudschadsch stimmte dem bei, und folgenden Tages fuhr Moradbak mit solchen Worten fort:
    »Dscherberi hatte große Kräfte, und die Arbeit hatte sie so erstaunlich vermehrt, daß alle Lastträger der Stadt ärgerlich waren, als sie sahen, wie er beinahe alle ihre Arbeit allein verrichtete und alle Einwohner lieber warteten, als sich seiner nicht zu bedienen, und faßten daher den Entschluß, ihn aufzusuchen, und sprachen zu ihm: ›O Dscherberi, wenn du nicht mehr arbeiten und dich ruhig verhalten willst, ohne etwas zu tun, verpflichten wir uns, dir jeden Tag zehn Aspern zu geben.‹ Dscherberi willigte darein, und die Lastträger zahlten ihm pünktlich diese Summe; von ihr lebte er nun ruhig und hielt ihnen seinerseits sein Wort; aber das Nichtstun schwächte seine Kräfte, welche die Arbeit erhalten hatte. Seine Natur veränderte sich, und er wurde krank; da er jedoch niemals des kommenden Tages gedacht hatte, wurde er bald von der Not heimgesucht; als ihn nun die Lastträger so schwach sahen, wollten sie ihm die ausgemachte Summe nicht mehr geben; in seinem Unglücke wandte er sich an Allah. Während er schlief, erschien ihm der heilige Prophet im Strahlenglanze seiner Herrlichkeit und sprach also zu ihm: ›O Dscherberi, du bist nur krank geworden, weil du davon abstandest, deine Kräfte zu benutzen, die dir Allah verliehen hat; demütige dich, arbeite, und du wirst sie wiedererlangen!‹ Von Stund an aber wurde sein Herz gerührt und seine Gesundheit wiederhergestellt; doch er war noch zu schwach, um seinen Beruf mit demselben Erfolge wieder aufzunehmen, mit dem er ihn ausgeübt hatte. Und er saß eines Tages vor der Tür des Großwesirs, als eine Frau kam, die ganz in Tränen aufgelöst war und sich neben ihn setzte, um die Empfangsstunde des Ministers abzuwarten. Dscherberi fragte sie nach der Ursache ihrer Tränen. Sagte sie: ›Ach, gestern hat man meinen Sohn ermordet, und er ist, von mehreren Stößen durchbohrt, vor meiner Türe tot niedergesunken, ohne Zeit gehabt zu haben, mir seinen Mörder zu nennen. ›Man hat mich gemeuchelt‹, sprach er, seine Seele aushauchend. Er war meine einzige Stütze. Ich will jetzt den Wesir bitten, seinen Mörder ausfindig zu machen, um wenigstens seinen Tod nicht ungerächt zu lassen!‹ ›Kannst du ihm denn einen Fingerzeig geben?‹ fragte Dscherberi sie. ›Ach nein,‹ sagte sie darauf, ›und das verdoppelt meinen Kummer; ich bin die Witwe eines Kaufmanns, mein Sohn war jung, und ich hoffte, daß er meine Stütze würde. Der Wesir wird mir zweifelsohne sagen, daß es in einer so großen Stadt wie Bagdad unmöglich ist, den Mörder eines Menschen wiederzufinden, der unbekannt ist!‹ ›Höre ihn ehrfurchtsvoll, wie es seinem Stande zukommt, an; wenn er aber keinen Ausweg findet, um dir aus der Not zu helfen, sprich zu ihm, daß Dscherberi, der Lastträger, dir gesagt hat, wenn er Wesir wäre, würde er den Mörder deines Sohnes herausfinden!‹ Die trostlose Mutter aber rechnete nicht sehr mit einer so schwachen Hilfe; doch dankte sie ihm. Ganz so, wie sie es vorhergesehen hatten, ging es zu; der von den Klagen der Frau müde gewordene Wesir befahl, daß man sie hinausbrächte; nun fiel sie ihm zu Füßen und sprach: ›O Herr, geruhe Dscherberi, den Lastträger, zu befragen, und ich werde den Mörder meines Sohnes kennenlernen!‹ ›Das ist wenigstens ein Fingerzeig, den du mir gibst,‹ versetzte der Wesir, ›du klagst ihn also an, deinen Sohn umgebracht zu haben?‹ ›Nein, o Herr,‹ antwortete ihm die Frau, ›jedoch hat er mir gesagt, wenn er Wesir wäre, würde er die Mittel finden, den Mörder zu entdecken!‹
    Der Wesir wandte sich

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