Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen
wars«, antwortete das arabische Weib. »Ihr habt es gehört«, sprach Hadschdschadsch, indem er sich zu seinen Wesiren umwandte; »was ist nun euer Urteilsspruch über die Schuldige?« »Eile,« riefen sie einstimmig, »sie hinzurichten.« Das Weib aber lachte hell auf. »Was lachst du?« fragte Hadschdschadsch. »Darüber, daß die Wesire deines Bruders, des ägyptischen Drängers Pharao, doch bessere Menschen waren als deine!« »Wieso?« fragte Hadschdschadsch. »Als Pharao«, antwortete die Araberin, »sie befragte, was mit Moses und Aaron zu tun sei, sprachen die: ›Heb sie auf für andere Zeiten.‹ Die deinigen aber raten dir, mit der Hinrichtung zu eilen!« Die Freimütigkeit gefiel dem Tyrannen, und statt den Blutbefehl zu erlassen, gab er ihr eine Anweisung auf die Schatzkammer.
»Was hältst du von Hadschdschadsch«, fragte der Tyrann einen Beduinen, auf den er unerkannt in der Wüste stieß. »Daß er ein Dränger und Tyrann ist!« »Nun, wenns so ist, warum führst du denn nicht Klage wider ihn am Throne des Kalifen Abd al-Malik, des Sohnes Marwans?« »Der ist um kein Haar besser, wenn nicht schlimmer. Allahs Fluch über beide!« Jetzt kam das Gefolge des Statthalters angeritten, und der Beduine erkannte seinen Mann. »Höre, o Emir,« sprach er, »das Geheimnis, das ich dir soeben anvertraute, bleibt unter uns; wenn auch Allah etwas davon wissen sollte, so weiß ers besser.« Hadschdschadsch mußte ob der sinnreichen Wendung lachen und beschenkte den Beduinen.
Hainand, der Geschichtsschreiber, erzählt: »Ich war in großer Gunst bei Walid, dem Sohne Abd al-Maliks. Als sein Bruder Jesid den Kalifenstuhl bestieg, floh ich nach Kufah, wo ich die große Moschee zu meinem Aufenthaltsorte auserwählte. Siehe da kam ein Bote Mohammeds, des Sohnes Jusufs Et-takfi. Er kündete mir an, er habe ein Schreiben des Kalifen erhalten, der ihm befehle, mich in das Serail zu führen. Wir setzten uns zu Pferde, und er gab mir einen Beutel von tausend Dinaren für die Unkosten der Reise. Am achten Tage nach unserer Abreise langten wir zu Damaskus an. Der Abgesandte holte die Erlaubnis zu meinem Empfange ein und führte mich dem Kalifen vor. Ich fand ihn in einem Saale von rotem Granit, dessen Decke ein Zelt aus rotem Damast war. Die Vorhänge waren aus roter Seide, und roter Damast bildete die Bekleidung des Fußbodens. Alles war rot, und neben dem Kalifen standen zwei ebenfalls rot gekleidete Sklavinnen, in der einen Hand goldene Becher, in der andern Hand kristallene Gefäße mit rotem Weine haltend.
Ich grüßte ihn und wünschte ihm Glück als Kalif, und er gab mir den Gruß zurück. Dann sprach er: ›Nahe, und sage mir, ob du weißt, warum ich dich holen ließ.‹ ›Nein, o Fürst der Rechtgläubigen.‹ ‹Ich sandte nach dir, um aus dem Schatze deines Gedächtnisses einige Verse zu holen, deren Anfang mir entfallen ist, von denen ich aber nur soviel weiß, daß sie mit dem Worte Kanne endigen.‹
Ich fing an, meinen Versvorrat im Gedächtnis durchzugehen, und erinnerte mich endlich einiger Verse eines alten Königs aus Jemen, die also lauten:
Früh sind die Tadler und die Neider aufgewacht! – Es schelten mich so Feind als Freund mit Vorbedacht.
Was kümmerts mich! es grünet frisch im Morgentau die Tanne – Das Mädchen hält den Morgenwein in goldner Kanne.
›Bei Gott!‹ rief Jesid aus, ›das sind gerade die Verse, die ich im Sinne hatte‹, und begehrte zu trinken. Er befahl der Sklavin, auch mir einzuschenken, was sie dreimal tat, so daß mir alle Sinne vergingen. ›Dreimal,‹ sprach ich, ›o Fürst der Rechtgläubigen, ist meine Vernunft schon davongelaufen.‹ ›Nun, was wünschest du denn, um sie noch ein viertes Mal zu verlieren?‹ ›O Herr, eine der beiden Sklavinnen, die zu deiner Seite stehen, wäre solches zu bewirken mehr als hinreichend.‹ ›Nun, du sollst sie alle beide haben, mit ihrem ganzen Anzug, und hunderttausend Dirhems obendrein.‹ Ich wußte nicht mehr, wie mir geschah, indem ich alles für einen Traum hielt. Am nächsten Morgen aber zog ich mit dem versprochenen Geschenke nach Kufah, wo ich seitdem ein vergnügtes Leben führe.«
Ein Sänger sang eines Tages in Gegenwart des Kalifen Jesid die folgenden Verse:
Wenn ich aus Sehnsucht tot zu Boden stürze – Weckt deine Schönheit mich vom Tode auf;
In meiner Seele brennt der Liebe Würze – Die hält den Leib vor der Verwesung auf.
Dem Kalifen gefielen die Verse; er fragte, wem sie zugehörten. Man wußte
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