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Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen

Titel: Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymer Verfasser
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durchbohren, und das Mal auf ihrer Wange ist dunkel wie das Korn des Lebens auf der glänzenden Flur des Paradieses.
    Hadschdschadsch übergab die drei Sklavinnen, nachdem er sie besichtigt und beschrieben hatte, den drei Sklavenhändlern mit dem Befehle, sie wohlverwahrt dem Kalifen zuzuführen. Einer der drei Kaufleute aber, alt und gebrechlich, wie er war, bat, der Reise enthoben zu werden und statt seiner seinen Sohn stellen zu dürfen, was Hadschdschadsch gerne gewährte. Auf dem Wege lüftete der Wind auf einen Augenblick den Vorhang der Sänfte, und der junge Mensch wurde auf der Stelle sterblich verliebt in die ihm von seinem Vater anvertraute Schöne. Er aber sang aus dem Stegreife:
    Selbst durch den Schleier dringt der Pfeil ins Herz – Und es zerbricht aus übergroßem Schmerz.
Es birst die Erde vor dem Sonnenfeuer – Wiewohl es sich verbirgt im Wolkenschleier.
    Eine überaus wohltönende Stimme antwortete aus der Sänfte:
    Verräter ist der Tag, die Scheelsucht wacht – Vertraue dein Geheimnis nur der Nacht.
    Der junge Mann verstand den Wink und wollte ihn benutzen, sobald es dunkel geworden war. Und er machte den Versuch, seine Schöne zu entführen, aber von seinen Gefährten entdeckt und eingeholt, wurde er auf ein Kamel gebunden und als ein Verbrecher bis in den Palast des Kalifen mitgeführt.
    Abd al-Malik ließ sich die Sklavinnen vorführen und überlas zugleich die Beschreibung ihrer Vorzüge, die ihm Hadschdschadsch eingesandt hatte. Bei den ersten beiden traf alles auf ein Haar ein; die dritte aber hatte nicht, wie es in der Beschreibung hieß, die Farbe der Rose, sondern sie war blaßgelb.
    »Was ist das?« fragte der Kalif erzürnt die Sklavenhändler. Sie warfen sich ihm zu Füßen, baten im voraus um Gnade und erzählten ihm dann die Liebesgeschichte des jungen Mannes. Des Kalifen Zorn ging in Mitleid und Rührung über. Statt den Liebhaber als Majestätsverbrecher zu bestrafen, machte er ihm die Sklavin mit all ihrem Staate zum Geschenk.
    Die Verliebten waren außer sich vor Freude und Entzücken. Sie durchschwärmten die Nacht in inbrünstigen Umarmungen. Des Morgens fand man beide tot einander in den Armen; das Übermaß der Leidenschaft hatte sie getötet. Man erstattete hiervon Bericht dem Kalifen, der sich nicht wenig ob dieses außerordentlichen Abenteuers verwunderte und gar nicht begreifen konnte, wie es möglich war, aus Liebe zu sterben.
    Hadschdschadsch, der Sohn Jusufs, hatte eines Abends große Gesellschaft. Dessenungeachtet wurde ihm die Zeit lang, und er sprach zu Khalid, dem Sohn Gersafas: »Geh in die Moschee und suche uns jemanden, der durch Erzählungen die Zeit kürze. Es ist eben Gebetstunde, und es kann dir nicht fehlen, deinen Mann zu finden.« Khalid ging in die Moschee, grüßte den ersten jungen Menschen, der ihm aufstieß, und lud ihn ein, sich mit ihm in den Palast zu begeben. Der Jüngling nahm die Einladung an, und sie traten beide in den Gesellschaftssaal. »Liest du den Koran?« fragte Hadschdschadsch den Fremden. »Ja, und ich weiß ihn auswendig.« »Bist du mit den arabischen Dichtern bekannt?« »Ja, vom Anfang bis zum Ende«, war die Antwort; und er sagte einige der schönsten Stellen. »Nun, da es dir, wie ich sehe, an Wohlredenheit und Sachkenntnis nicht fehlt, so erzähle uns etwas, indessen soll man dir zum Lohn eine Sklavin und viertausend Dirhems bereiten. »Des Himmels Segen über den Kalifen und seinen Statthalter,« antwortete der Jüngling, »ich wüßte nichts Außerordentlicheres zu erzählen als meine eigene Geschichte.« »Nun, so erzähle sie denn der versammelten Gesellschaft!«
    »Ich verlor sehr jung meinen Vater und wurde erzogen in dem Hause meines Oheims. Der hatte ein überaus schönes Mädchen zur Tochter, mit der ich die ersten Jahre der Jugend verlebte und die ich, ohne es zu wissen, liebte. Als sie heranwuchs, bewarben sich viele Freier um ihre Hand, und mir wurde damit alle Hoffnung genommen, sie jemals zu bekommen. Der Kummer brachte mich aufs Krankenlager; mitten unter den Ausbrüchen von Fieberphantasien ersann ich folgenden Ausweg, um zu meinem Ziele zu gelangen: Ich füllte einen Sack mit Sand und Erde an, und in einem Augenblicke, wo ich wußte, daß ich beobachtet wurde, vergrub ich ihn mit vieler Sorgfalt und Herumspähen, als sollte es nicht gesehen werden, unter meinem Kopfkissen, um glauben zu machen, es sei ein heimlicher Schatz. Dann ließ ich meinen Oheim rufen und sagte ihm: ›Ich besitze einen heimlichen und

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