Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen
sie verursachten, und das Gerücht von der Verlegung meiner Zelte drang gar bald bis in das Serail des Kalifen, der damals in Damaskus residierte. Er aber berief seine Tochter zu sich, und ich machte diese Reise in ihrem Gefolge. Doch die Glut der Leidenschaft verzehrte mich, und ich war sehr krank, ohne es zu wissen.
Zwei Tagereisen von Damaskus kamen Abgesandte, um der Prinzessin zu melden, der Kalif mit allen Prinzen seines Hauses komme ihr entgegengezogen. Der Zug kam bald nachher an.
Der Kalif stieg ab und ging ins Zelt, beglückwünschte die Prinzessin zu ihrer glücklichen Ankunft und sagte: ›O meine Tochter Merwe, du mußt nach der Sitte deinen Einzug bei Nacht halten, auf daß dich niemand sieht.‹ ›Sehr wohl, o mein Vater, mir ists übrigens einerlei, ob mich die Leute sehen oder nicht sehen.‹
Beim Herausgehen erblickte er meine Zelte und fragte, wessen sie wären? ›Amrus, des Sohnes Rebias‹, war die Antwort. Ich nahte mich und grüßte den Kalifen nach hergebrachter Sitte mit den Worten:
›Heil und Allahs Erbarmen über dich, o Fürst der Rechtgläubigen!‹ ›Weder Heil noch Erbarmen über dich‹, antwortete der Kalif. ›Und warum, o mein Vetter, behandelt mich deine Erhabenheit so unfreundlich?‹ ›O Unglücklicher, du hast doch meine Tochter mit deinen Versen in üblen Ruf gebracht!‹ und er sagte die Verse auf, die ich aus dem Stegreife gedichtet hatte, als die Prinzessin aus dem Zelte kam. ›Vergebung, o Fürst der Rechtgläubigen, die Verse gehen die Prinzessin nichts an, sie sind an eine erdichtete Schönheit gerichtet, die, wie deiner Erhabenheit bekannt ist, nur in dem Hirne der Dichter lebt.‹ ›Du lügst‹, sprach der Kalif lachend, aber dann auf einmal mit veränderter Gesichtsfarbe und in sehr ernstem Tone: ›Hast du ein Weib?‹ ›Ich kenne nur eine, und das ist deine Tochter, o Fürst der Rechtgläubigen‹, antwortete ich mit großem Mute. ›Nun, so nimm sie denn,‹ fuhr der Kalif fort, ›ich vermähle sie dir.‹
Trunken vor Freude rief ich aus: ›Wie verdiene ich so großes Glück, ich Sklave des Fürsten der Rechtgläubigen, ich, der ich nur eine Klinge aus dem Waffenschatze seiner Macht bin! Wie bin ich wert befunden worden dieser Verbindung mit dem größten Herrscher unserer Zeit!‹
›Das Sprichwort sagt,‹ antwortete der Kalif darauf, ›wer um den Schleier fragt, der kauft ihn‹; und er ließ auf der Stelle Kasis und Zeugen rufen, um den Heiratsvertrag der Prinzessin abzufassen. Er gab ihr fünfzigtausend Dinare zur Aussteuer. Die Hochzeit wurde auf der Stelle gefeiert. Ich lebte drei Jahre mit ihr, die glücklichsten meines Lebens, dann starb sie und hinterließ mir drei Perlenangebinde zum Angedenken, die mich ins Grab begleiten werden.«
Der Kalif Waßik Billab war einer der sanftmütigsten Menschen seiner Zeit. Ein Dichter, der eine Satire wider ihn verfertigt hatte, kam, um von ihm eine Gnade zu begehren. Aber durch einen Mißgriff zog er statt der Bitt- die Stachelschrift aus der Tasche und reichte sie hin. Der Kalif aber, der den Irrtum bemerkte, gab ihm die Satire zurück und begnügte sich, ihm zu sagen: »Sei behutsamer, auf daß dir solches mit keinem anderen begegnet, der weniger bereit ist, zu verzeihen und Gnaden zu erteilen, als der Kalif.«
Der Kalif Abd al-Malik ibn Marwan gab seinem Statthalter Hadschdschadsch, dem Sohne Jusufs, den Auftrag, ihm die drei schönsten Sklavinnen, die er finden könnte, zu senden. Hadschdschadsch nun wandte sich an die drei berühmtesten Sklavenhändler des Reichs, die ihm alsbald die drei größten Schönheiten, die sie ausfindig gemacht hatten, zuführten. Hier folgt die Beschreibung ihrer Vorzüge, die Hadschdschadsch dem Kalifen einsandte und die sich aus den geheimen Archiven des Kalifats bis auf unsere Zeit erhalten hat:
Die erste hat funkelnde Augen und schön gerundete Arme. Ihr Busen sproßt und treibt wie die Rosenknospen in den ersten Tagen des Frühlings; ihre Schenkel leuchten wie polierter Alabaster im Mondenschein; sie ist weiß wie ein geglättetes Silber.
Die zweite ist ein Beispiel des schönsten Ebenmaßes aller Glieder. Der süße Ton ihrer Stimme würde Kranke heilen und Tote zum Leben erwecken. Sie ist eine anziehende Braunhaarige.
Die dritte hat die Augen der Gazelle, die Gesichtsfarbe der Rose, den Wuchs der Zypresse, den Wohlgeruch des Moschus, das Haar schwärzer als Ebenholz, die Zähne weißer als Elfenbein. Ihre Wimpernhaare sind so viel Pfeile, welche die Herzen
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