Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen
sehr ansehnlichen Schatz, den ich in der Wüste gefunden habe, und fürchte, der Tod übereilt mich, ehe ich ihn jemand entdeckt habe, oder man bestiehlt mich. Gib mir daher, ich bitte dich, eine Wache von zwölf Personen, und leihe mir unterdessen tausend Dinare, um die Kosten meiner Krankheit zu berichtigen, auf daß ich nicht nötig habe, meinen Schatz ans Licht zu bringen und ihn anzuzeigen.‹ Mein Oheim glaubte fest, was ich ihm gesagt hatte, und erzählte es seinem Weibe wieder. Diese, die mich für steinreich hielt, hatte nun nicht die geringste Einwendung wider meine Verbindung mit ihrer Tochter und ließ mir durch ihren Gemahl einen Vorschlag machen. ›Ich habe es nie gewagt,‹ antwortete ich, ›meine Augen bis zu deiner Tochter zu erheben, um so weniger, als ihr Betragen gegen mich meine Wünsche nicht im mindesten begünstigte.‹ ›O das hat nichts auf sich, das Mädchen fürchtete sich nur vor ihrer Mutter; nun wird es sich schon geben.‹ Sogleich versammelte man den Stamm, und die Hochzeit wurde noch selbigen Abends gefeiert.
Die folgenden Tage überhäufte mich mein Schwiegervater mit Geschenken. Er hatte für mehr als zehntausend Dirhems Kleider und Schmuck gekauft, alles in der Hoffnung auf einen reichlicheren Ersatz aus dem Schatze. Endlich begehrte er, ihn zu sehen. Sogleich ließ ich Träger kommen, um den Sack auszugraben und zu meinem Schwiegervater zu bringen, der, wie ihr euch denken könnt, nicht wenig toll gewesen sein muß, als er Sand statt Gold fand. Ich war unterdessen so klug gewesen, mit meinem Weibe die Flucht zu ergreifen; und ich irre nun seitdem in Moscheen herum, ohne daß ich weiß, wie das Ende sein wird.«
Hadschdschadsch befahl, dem Erzähler die Sklavin zu übergeben und zehntausend Dirhems zu verabreichen, die am nächsten Morgen ausgezahlt werden sollten. Der junge Mann war voll der Freude und eilte zu seiner Gattin, die zu ihrer Mutter nach Hause zurückgekehrt war. Er stürzte zur Tür hinein und rief, daß er zehntausend Dirhems in der Schatzkammer guthabe. Als Mutter und Tochter dies hörten, erhoben sie ein großes Geschrei, weil sie glaubten, er sei von Sinnen gekommen. Der Vater dachte, es sehe mit den zehntausend Dirhems nicht besser aus als mit dem Schatze, und ließ den Schwiegersohn als einen Betrüger binden. Er mochte ihnen noch so oft seine Geschichte mit Hadschdschadsch erzählen, es half nichts. Die einen glaubten, es sei ein Fiebertraum, die andern, es sei eine Erfindung.
Hadschdschadsch, der den jungen Mann nicht wiederkehren sah, um sein Geld zu holen, ließ ihn suchen.
Der Gefundene erzählte, was ihm von neuem begegnet war, und wie also das Ende seiner Geschichte noch viel sonderbarer sei als der Anfang.
Hadschdschadsch überhäufte ihn mit neuen Geschenken.
Hadschdschadsch, der Sohn Jusufs, ist berühmt in der arabischen Geschichte durch seinen unersättlichen Blutdurst. Man sagt, daß er als neugeborenes Kind die Brust seiner Mutter Caria nicht habe nehmen wollen. Haress Ben Kelde riet den Eltern, eine schwarze Ziege zu schlachten und das Kind mit ihrem Blute zu tränken. Dies geschah drei Tage lang, am vierten aber säugte die Mutter das Kind. Die arabischen Geschichtsschreiber sind der Meinung, Satanas selbst habe diesen Rat gegeben, und erklären hieraus des Tyrannen seltene Blutgier, der nur wenige der bezeichneten Schlachtopfer durch außerordentliche Freimütigkeit oder kalte Verachtung des Todes entgingen.
Eine solche Ausnahme war die folgende: Bei einem öffentlichen Gastmahle bemerkte Hadschdschadsch, daß ein Beduine die Schüsseln mit Halwa auf das gierigste leerte. »Wer von Halwa etwas anrührt, ist des Todes!« donnerte Hadschdschadschs Stimme, und alle Hände, die auf die Schüssel zugefahren waren, erstarrten auf dem Wege. Der Beduine allein konnte die den Bewohnern der Wüste angeborene Freßlust nicht verleugnen. Nachdem er einige Zeit unbeweglich geblieben war, rief er: »O Emir, ich empfehle dir mein Weib und meine Kinder!« und fiel mit Hast über die Schüssel her. Hadschdschadsch sank vor Lachen auf den Rücken und ließ die Drohung unvollzogen.
Hadschdschadsch hatte soeben die Flammen eines Aufruhrs mit Strömen von Blut gelöscht. Unter den eingebrachten Gefangenen wurde ein freies arabisches Weib ihm vorgeführt. »Warst du es nicht,« fuhr sie Hadschdschadsch voll Grimm an, »warst du es nicht, die gestern noch das Volk empörte und zum Morde meiner Krieger wild entflammte?« »Du hast es gesagt, ich
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