Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen
habe. Aber wenn du ihn mir lassen und Rosen holen willst, so sollst du am kommenden Morgen einen noch viel schöneren sehen.‹ Da nun die Alte um jeden Preis entschlossen war, zu sehen, was die Jungfrau zu binden verstand, ließ sie ihr den Strauß und ging, weil es schon zu später Stunde war, von ihr. Wie nun Gul allein war, fing sie um der lebhaften Freude willen, die sie über den noch lebenden Gatten empfand, bitterlich zu weinen an und rief ihre Gespielin Akil sogleich herbei und umarmte sie gar herzlich und sprach zu ihr: ›Freue dich mit mir, Gott hat begonnen, unsere Gebete zu erhören!‹ Und sie erzählte ihr, wie sie erfahren hatte, daß Firischte noch lebte, und zeigte ihr den Rosenstrauß, den er ihr durch die Alte geschickt hatte. Und sie wies unsäglich zufrieden Akil den Strauß, und die nahm ihn in die Hand und sah, daß er um ein durchbohrtes Schilfrohr gewunden war, und es nun beschauend, erblickte sie sofort die von Firischte geschriebenen Zeilen. Und zeigte sie Gul, die aber zog sie aus dem Rohre heraus und las alles, was Firischte zugestoßen war, und wurde seines Lebens wegen vollauf beruhigt. Wie Gul die Gelegenheit sah, ihrem Gatten auf der von ihm gewiesenen Art ihr Ergehen mitteilen zu können, berichtete sie ihm sogleich in einem Schreiben alle ihre Erlebnisse und ließ ihn den Ort, wo sie war, wissen und legte das Schreiben in ein kleines Rohr, wie es Firischte getan hatte, und erwartete dann mitgroßer Sehnsucht den kommenden Tag. Sobald es hell wurde, kam die Alte mit den Rosen zu ihr. Aus ihnen stellte Gul, die sie fröhlichen Antlitzes empfing, um das Rohr, in das sie das Schreiben gesteckt hatte, einen Strauß zusammen, der an Schönheit den Firischtes bei weitem übertraf, und gab ihn der Alten, die ihn unbeschreiblich verwundert über ihre Kunstfertigkeit forttrug. Als nun derselbe Argwohn, dem sie früher verfallen war, wieder über sie kam: der König möchte sie ihres Jahrgeldes berauben, wenn ihm Guls Geschicklichkeit in dieser Kunst offenbar würde, ging sie zu Firischte zurück und nahm gleichzeitig mit dem Strauße auch ein Körbchen voller Rosen mit, auf daß er einen schöneren Strauß machte. Sie kam vor sein Angesicht und reichte ihm den Strauß und die Rosen dar und sprach: »O mein Sohn, da ich weiß, daß der dir eben gebrachte Strauß deinen an Kunst und Schönheit übertrifft, bringe ich dir zugleich Rosen mit, auf daß du einen noch schöneren herstellen kannst und der Meister dieses erkennt, daß dein Wert größer ist als seiner!‹ Und Firischte vernahm der Alten Worte und war ihr sehr dankbar; und er nahm den Strauß der Jungfrau, den er sogleich erkannte, und sagte zu der Alten, sie sollte des Abends spät zu ihm zurückkommen, um den Strauß, den er machen wollte, abzuholen. Da nahm sie Urlaub von ihm und ging fort und ließ ihn hier allein mit Dschasimin. Und sobald sie den Fuß über die Schwelle gesetzt hatte, zog Firischte Guls Schreiben aus dem Schilfrohr und unterrichtete sich völlig über ihr Ergehen und den Ort, wo sie verweilte. Darauf stellte er aus den Rosen, die ihm die Alte gebracht hatte, einen Strauß zusammen, der alle andern an Schönheit übertraf, und gab ihn ihr des Abends. Sie aber erkannte, daß man keinen schöneren binden konnte;und deshalb kehrte sie frei von der Furcht, die sie anfänglich schwer bedrückt hatte, ganz zufrieden in ihr Haus zurück. Wie nun Firischte über die Maßen froh und heiter war, da er Nachrichten von seiner Gul erhalten und auch erfahren hatte, wie innig er von ihr geliebt wurde, beschloß er, sie auf alle Fälle wiederzuerlangen, und bat seinen Dschasimin inständigst, ihm dabei behilflich sein zu wollen. Der aber antwortete ihm: ›Du mußt wissen, o Herr, daß nahe bei dem Orte, wo die Jungfrau verweilt, ein großer und sehr schöner Palast steht, der einem gewissen Kaufmann gehört, der dem Könige viel Geld schuldet und dessen Besitztum jetzt öffentlich vom Staate verkauft werden soll. Wenn du dich nun entschließen kannst, ihn zu erwerben, könnten wir da leicht unsere Absicht ausführen!‹ Diesen Plan lobte Firischte gar sehr und sagte zu Dschasimin, er solle ihn um jeden Preis erwerben. Der aber gab sich sogleich für einen fremden Kaufmann aus und ging zu den Wesiren des Königs und ließ sie wissen, er sei mit einem Gefährten aus fernem Lande hergekommen, um sich hier länger aufzuhalten, und kaufte den Palast mit dem Gelde, das er von Firischtes Vater empfangen hatte. Er stattete ihn reich
Weitere Kostenlose Bücher