Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen

Titel: Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymer Verfasser
Vom Netzwerk:
darauf verwendest, mich zu trösten, daß du mich bei der übergroßen Liebe, die du zu mir hegst, auf alle Fälle von meinen Todesgedanken abziehen willst. Aber sage mir doch um Himmels willen, wenn ich mir nun nicht selbst den Tod gebeund ein so trauriges Leben ohne meinen vielgeliebten Gatten weiterlebe, scheint es dir da recht zu sein, daß ich meine Jungfrauenschaft einem so grausamen und gottlosen Tyrannen, der noch dazu unserm Glauben feind ist, zum Geschenk machen soll?« Akil erwiderte: »Nein, o niemals will ich dich dazu ermutigen, denn dann würde ich weder dir noch dem Christenglauben, mit dessen Hilfe wir hoffentlich ein Mittel gegen solches Unglück finden werden, vom Herzen zugetan sein. Du weißt doch, daß unser Beichtvater von jedermann um seines guten und heiligen Lebens willen geachtet wird, ihn wollen wir, falls es dir recht ist, sogleich zu uns kommen lassen. Er wird uns, dessen bin ich sicher, wenn wir ihm unsere Not und unser Anliegen mitgeteilt haben, mit Gottes Hilfe einen nützlichen und guten Rat geben!« Diesen Vorschlag ließ sich die schmerzensreiche Gul gefallen; und sie gaben Auftrag, daß der Beichtvater sogleich gerufen würde. Wie sie ihm alles erzählt und ihn gebeten hatten, ihnen in solch großem Elend einen Rat geben zu wollen, wandte er sich gegen die weinende Jungfrau und sagte zu ihr: »O meine liebe Tochter, wenn uns ein großes Übel widerfährt, dürfen wir niemals verzweifeln, sondern sollen uns an Christum wenden und ihn flehentlich bitten, daß er uns eine Hilfe senden möge, da er niemanden, der auf ihn baut, im Stich läßt. Fürs erste nun wollen wir, ihr und ich, gemeinsam mit Gebeten und Fasten Gottes, des Herrn, Zorn zu besänftigen suchen und ihn bitten, wenn er uns unsere Sünden verzeiht, uns eine Hilfe in solch großer Not gewähren zu wollen. Wenn es nun zutrifft, daß du, o Gul, vor den König geführt wirst, so sollst du, nachdem du ihm die schuldige Ehrfurcht erwiesen hast, also zu ihm sagen: »O Gebieter, weil ich nun in Wahrheit einsehe, daß ich dir nach deinemBeschlusse vermählt werden soll, bitte ich dich bei der großen und vollkommenen Liebe, die du zu mir hegst, gar herzlich, mir die erste Gunst, die ich von dir fordere, nicht verweigern zu wollen; die aber besteht darin, daß du, ehe du Hochzeit mit mir feierst, mir vierzig Tage gewähren mögest, in welchem Zeitraume ich, in irgendeinem Gemache deines Palastes bewacht, einige meiner Geschäfte verrichten kann!‹ Dies wird er dir wahrlich, wenn Gott, der Herr, es zugibt, nicht abschlagen, da er dich inbrünstig liebt. Wenn du das nun von ihm erlangt hast, sollst du in das Gemach gehen, das er dir anweisen läßt, und tausend Vaterunser den Tag über beten und die vierzig Tage fasten. Hast du das getan, wirst du, des bin ich sicher, des großen Unglücks, in dem du dich zu dieser Stunde befindest, ledig werden!« Als der Beichtvater solche Worte gesprochen hatte, waren Gul und Akil unbeschreiblich zufrieden mit seinem Rate, und nachdem er ihnen seinen Segen gegeben hatte, nahm der heilige Mann Urlaub von ihnen und ging fort. Nicht lange Zeit hernach kam eine große Schar reichgekleideter Frauen im Auftrage des Königs in das Vaterhaus der Jungfrau, um sie feierlich nach dem Palaste des Königs zu geleiten; die aber wurden frohen Antlitzes von Gul empfangen und verweilten einige Zeit bei ihr. Dann machte sie sich zusammen mit ihrer treuen Akil, von ihrer schmerzensreichen Mutter und den alten Frauen des Königs geleitet, auf nach dem königlichen Palaste. Als der König davon in Kenntnis gesetzt war, stieg er sogleich die Treppe des Palastes hinunter und erwartete sie auf dem Hofe mit einem ehrenvollen Geleite seiner Großen. Sie stand nun vor seinem Antlitze und führte aus, was ihr von dem Beichtvater angegeben war, und bat ihn um die Frist von vierzig Tagen. Der König gewährte ihr solchesfröhlicher Miene und rief seinen Schatzmeister, ließ ihr ein prächtiges Geschenk an gar kostbarem Edelgestein machen und gab den Auftrag, daß sie heimlich mit ihrer Akil in ein Gemach, das in dem Garten des königlichen Palastes an einem Orte war, den man Gulistan nannte, geführt und dort die ausbedungene Frist über bewacht würde. Nicht weit von diesem Orte, in einer andern Behausung, hielt er auch seine eigene Tochter gefangen; und es hatte zu ihr kein anderer Mensch außer einer alten Frau Zutritt, der er die Sorge um den Garten übertragen hatte, weil sie eine große Meisterin in der Gartenpflege

Weitere Kostenlose Bücher