Tausend und eine Nacht, Band 4
schwach und mager wurde, daß seine Liebe kein Geheimnis mehr blieb. Lange baten seine und ihre Verwandten seine Geliebte, sie möchte ihn doch besuchen, aber sie weigerte sich, bis er dem Tod nahe war. Erst als sie sein nahes Ende vernahm, bemitleidete sie ihn und entschloß sich, ihn zu besuchen. Als er sie erblickte, flossen seine Augen in Tränen über und er sprach folgende Verse:
»Wenn du meinen Leichenzug vorüberziehen siehst, wirst du ihm nicht folgen und den Verschiedenen grüßen, der dem Grabe überlassen wird?«
Das Mädchen sagte weinend: »Ich dachte nicht, daß es so weit mit dir gekommen wäre, aber bei Gott, ich will dir alles gewähren, was du von mir forderst« Da rezitierte er weinend folgenden Vers:
»Sie nahet mir, wenn Todesschatten uns trennen, und will mir gehören, wenn ich sie nicht mehr besitzen kann.«
Dann atmete er tief und verschied. Das Mädchen weinte, küßte ihn und fiel in Ohnmacht, und nach drei Tagen starb auch es und wurde in sein Grab gelegt.
Geschichte des Dichters Mutalammes.
Ferner wird erzählt: Der Dichter Mutalammes mußte einst vor Numan, dem Sohne Munzirs, entfliehen, und er blieb so lange abwesend, daß man ihn für tot hielt. Er hatte eine schöne Frau, welche Umeima hieß und ihn so innig liebte, daß sie lange keinen anderen heiraten wollte, so sehr auch ihre Familie sie darum bat. Doch endlich wurde ihr so viel zugeredet und fast Zwang angetan, daß sie nachgeben mußte und mit einem Mann aus ihrem Stamm sich verlobte. Mutalammes kam aber gerade zur Hochzeitsnacht von seiner Reise zurück. Er hörte Musik und Freudengesang und jubelnde Frauen, und fragte einen Knaben, was denn für ein Fest gefeiert werde. Der Knabe antwortete: »Die Gattin Mutalammes verheiratet sich wieder diese Nacht.« Als Mutalammes dies hörte, mischte er sich verkleidet unter die Frauen und sah, wie der Bräutigam neben seiner Frau saß und sie küssen wollte. Sie aber seufzte und sprach weinend: »O wüßte ich doch bei so vielen heranstürmenden Unglücksfällen, wo du weilest, o Mutalammes!« Dieser antwortete: »O du meine Heimat! o Umeima! wisse, daß ich mich stets nach dir sehnte, sooft die Karawane ihre Zelte aufschlug.« Als der Bräutigam dies hörte, merkte er, daß er überflüssig geworden, und zog sich zurück. Mutalammes blieb allein bei seiner Frau und lebte höchst glücklich mit ihr, bis der Tod sie trennte.
Sonderbares Gebet eines Pilgers.
Man erzählt ferner: Zur Zeit der Pilgerfahrt rief einst ein Mann, an den Vorhängen der heiligen Kaba sich festklammernd: »O Gott, laß sie doch wieder ihrem Manne zürnen, daß sie sich mir hingebe!« Als einige Pilger dieses sonderbare Gebet hörten, ergriffen sie ihn, prügelten ihn durch, führten ihn zum Emir der Pilger und sagten ihm, was sie von diesem Mann an einem so heiligen Ort vernommen. Der Emir der Pilger gab den Befehl, ihn zu hängen; aber der Angeklagte beschwor ihn bei Mohammed, dem Abgesandten Gottes, er möchte doch zuerst seine Erzählung anhören, dann nach Belieben mit ihm verfahren. Der Emir gewährte ihm seine Bitte, und er sprach: Wisse, o Emir, ich bin ein Mann von der niedersten Volksklasse, der sich oft mit Haschisch berauscht; mein Geschäft war, dem Vieh die Haut abzuziehen, und Blut und anderen Schmutz auf den dazu bestimmten Ort zu bringen. Eines Tages ging ich mit meinem beladenen Esel über die Straße, da sah ich, wie alle Leute davonliefen, und einer derselben sagte mir: »Flüchte dich schnell in dieses Gäßchen, sonst bringt man dich um.« Ich fragte, warum denn alle Leute so flöhen. Da antwortete mir der Diener eines vornehmen Herren: »Es kommt ein Harem, und die ihm vorangehenden Diener schlagen alle Leute, um den Weg freizumachen.« Ich wollte, als ich dies hörte, mit meinem Esel in eine Nebenstraße einlenken, da kamen die Diener, mit großen Stöcken in den Händen, an der Spitze von ungefähr dreißig Frauen, worunter eine einen Wuchs wie die Zweige des Ban, und Augen wie eine nach Wasser lechzende Gazelle hatte; diese ausgezeichnet schöne und liebliche Frau war die Gebieterin aller übrigen, die sie begleiteten. Ich blieb stehen und betrachtete sie von allen Seiten. Auf einmal rief sie einen ihrer Diener zu sich und sagte ihm etwas ins Ohr. Sogleich lief der Diener auf mich zu und nahm mich fest. Alle Leute liefen davon, nur ein alter Mann nahm meinen Esel und führte ihn weg, während die Eunuchen mich mit einem Strick banden und mit sich schleppten.
Ich wußte gar
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