Tausend und eine Nacht, Band 4
und Vögel ihm dienstbar waren? Hat er nicht viele Werke über weltliche Angelegenheiten und Religion geschrieben, und doch vergaß er alles wieder durch seine Liebe zu den Weibern, und wußte in Gegenwart aller Gelehrten eine Frage nicht mehr zu beantworten, die in einem ihm früher wohlbekannten Werk ausführlich behandelt war, so daß er zuletzt gestehen mußte, daß er durch seine Liebe zu den Weibern seinen Verstand verloren hatte, und daher alle Leute, besonders aber Gelehrte und Könige, davor warnte.« Der König erwiderte hierauf: »Schon habe ich aufgehört, die Frauen zu lieben; doch sage mir, was ich ihnen tun soll, weil sie mir geraten haben, deinen Vater und die übrigen Großen zu ermorden.« Der Vezier erwiderte: »Nicht sie allein sind schuldig; sie sind wie schöne Waren, die wohl Käufer herbeilocken, doch niemanden zwingen, sie zu kaufen.« Da sagte der König: »Ich sehe, daß du die Schuld auf mich laden willst, und du hast ganz recht.« Der Vezier erwiderte: »Das wollte ich zwar nicht, o König; doch Gott hat uns Macht über uns selbst gegeben, wir können dem Bösen widerstehen, wenn wir wollen. Gott will nur unser Bestes, durch unsern eigenen Willen aber neigen wir uns zum Schlimmen hin; doch jetzt ist nichts mehr zu tun, als das Gewand der Torheit mit dem des Verstandes zu vertauschen, die Begierden zu besiegen und den Geboten des Herrn zu folgen, Gott wird dir dann verzeihen, dir heitere Tage schenken und allen deinen Feinden Ehrfurcht vor dir einflößen.« Der König versprach dem Vezier, der ihn aus so großer Not gerettet, ihm in allem zu gehorchen, alle seine Vorschläge anzunehmen und alle seine Handlungen zu billigen. Auf den Rat des Veziers wurden dann alle Gelehrten versammelt und sieben neue Veziere gewählt, die Frauen des Königs aber in das Haus, wo die Ermordeten lagen, lebenslänglich eingesperrt; so fielen sie selbst in die Grube, die sie anderen gegraben. – Soviel ist uns von dieser wunderbaren Geschichte zugekommen.
Geschichte der unglücklichen Frau mit dem Bettler.
Man erzählt unter anderm: Ein König verbot einst seinen Untertanen, Almosen zu geben, und ließ jedem, der diesem Verbot zuwider handelte, die Hand abschneiden, so daß niemand mehr es wagte, den Armen etwas zu schenken. Eines Abends kam ein hungriger Bettler zu einer Frau und forderte Almosen. Da sagte ihm die Frau: »Wie kann ich dir etwas geben? Der König läßt ja jedem die Hand abhauen, welcher Almosen reicht.« Aber der Bettler beschwor sie solange bei Gott, sie möchte ihm doch etwas geben, daß sie seinen Bitten nicht widerstehen konnte und ihm zwei Laib Brot schenkte. Sobald der König dies erfuhr, ließ er die Frau rufen und ihre beiden Hände abschneiden. Nach einiger Zeit sagte der König zu seiner Mutter: »Ich möchte gern heiraten, wähle mir doch eine schöne Frau.« Seine Mutter antwortete: »In unserer Nachbarschaft lebt die schönste Frau, die man je gesehen hat; aber sie hat beide Hände verloren.« Der König wünschte sie zu sehen, und als sie vor ihm erschien, wurde er so bezaubert von ihrer Schönheit, daß er sie heiratete. Aber die Nebenbuhlerinnen dieser Frau beneideten sie so sehr, daß sie sie dem König als ein schlechtes Frauenzimmer schilderten. Der König schrieb dies seiner Mutter und befahl ihr, die von ihr empfohlene Frau aus dem Harem zu verstoßen. Die Frau wanderte nun, über ihr Unglück weinend, mit ihrem Kinde am Hals in der Wüste umher, bis sie an einen Bach gelangte; da kniete sie nieder, um ihren Durst zu löschen, und ließ das Kind in den Bach fallen. Sie weinte darüber sehr heftig, als zwei Männer vorüberkamen und sie fragten, warum sie so weine. »Mein Kind«, schrie die Arme, »ist ins Wasser gefallen.« Sie fragten: »Sollen wir es retten?« Als die Frau sie darum bat, beteten die Männer zu Gott und das Kind kam unverletzt aus dem Wasser. Sie fragten dann die Frau: »Wünschest du auch deine beiden Hände wieder zu haben?« Auf ihre bejahende Antwort beteten die Männer wieder, und, siehe da! Ihre beiden Hände wuchsen wieder hervor, noch schöner als sie waren. Dann sagten sie ihr: »Weißt du, wer wir sind?« – »Das weiß nur Gott.« – »Wisse denn, wir sind die zwei Laibe Brot, die du dem Bettler gegeben und durch welche du deine beiden Hände verloren; danke nun Gott, der dir deine beiden Hände wiedergegeben und dein Kind.« Sie dankte und pries Gott und setzte ihren Weg getröstet fort.
Geschichte des edlen Gebers.
Man erzählt
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