Tausend und eine Nacht, Band 4
liebte ich sie. Nach zwei Tagen sah ich wieder denselben Mann vorübergehen, und er sang folgenden Vers:
»Als der Esel die Mutter Amrus wegtrug, kehrte der Esel allein zurück, ohne sie.«
»Aus diesem Brief schloß ich, daß sie gestorben sein müsse, und darum traure ich schon drei Tage um sie.« Als ich dies hörte – fährt der Erzähler fort – ließ ich ihn sitzen und ging weg, erstaunt über seinen Blödsinn; denn nur ein Tor kann eine Frau lieben, die er nie gesehen.
Der bekehrte König.
Man erzählt noch: Ein gewisser König reiste einst verkleidet in seinem Reich umher und kam durstig in einem großen Dorf an. Da blieb er vor der Tür eines Hauses stehen und forderte Wasser. Eine sehr schöne Frau kam aus dem Haus mit einem Becher voll Wasser und überreichte ihn ihm. Nachdem der König getrunken hatte, betrachtete er die Frau und fand sie so reizend, daß er ihr Liebeserklärungen machte. Die Frau, die ihn wohl kannte, nahm ihn mit ins Haus, hieß ihn sitzen, legte ihm ein Buch vor und sagte: »Unterhalte dich einstweilen damit, ich muß nur schnell etwas besorgen, dann komme ich wieder.« Der König setzte sich und fing an, in dem Buch zu lesen; es enthielt Warnungen gegen den Ehebruch und die Strafen, die Gott über den Ehebrecher verhängt. Da überfiel ihn ein Schaudern und er beschloß, sich zu bekehren. Er rief sogleich die Frau, gab ihr das Buch und ging fort. Als der Gatte dieser Frau nach Hause kam, erzählte sie ihm das Vorgefallene. Er war sehr verlegen und fürchtete sich, der König möchte doch noch nach ihr gelüsten, und wagte es nicht mehr, von jenem Augenblick an, sie zu berühren. Nach einiger Zeit erzählte die Frau ihren Verwandten, daß ihr Gatte nicht mehr seine Pflichten gegen sie erfülle. Da führten sie ihn hin zum König und sagten: »Gott verherrliche unseren König! Hier ist ein Mann, der ein Stück Land von uns gepachtet hat, um es anzubauen und zu besäen, das hat er auch einige Zeit getan, nun aber läßt er es brach liegen; er besäet es nicht mehr, und doch gibt er es uns nicht zurück, daß wir es durch einen anderen besäen lassen, und so fürchten wir, das Land möchte, wenn es nicht bebaut wird, zugrunde gehen.«
Da sagte der König zu dem Manne: »Warum besäest du dein Feld nicht?« Der Mann antwortete: »Gott erhebe den König! Ich habe gehört, es sei ein Löwe auf das Feld gekommen, den ich so sehr fürchte, daß ich mich meinem Felde nicht mehr zu nähern wage, denn ich weiß wohl, daß ich zu schwach bin, um ihm zu widerstehen.« Der König merkte nun, worum es sich handelte, und sagte zu dem Manne: »Geh' nur und besäe dein vortreffliches Feld wieder, der Löwe wird es nie mehr betreten und dir nie was zuleide tun; Gott segne dich!« Sodann ließ er noch für ihn und seine Gattin kostbare Geschenke herbeiholen und entließ sie damit.
Abu Bekr, der Sohn Muhameds, erzählt: Ich reiste einst von Anbar nach Amurijeh in Griechenland und stieg in der Nähe der Stadt vor einem Kloster, das am Wege lag, ab. Der Prior des Klosters, welcher Diener des Messias hieß, kam mir entgegen und führte mich ins Kloster, das vierzig Klosterbrüder bewohnten, und ich wurde von ihnen sehr gastfreundlich bewirtet; auch sah ich bei ihnen eine Frömmigkeit, die ich noch nie gefunden. Nachdem ich meine Geschäfte in Amurijeh versehen hatte, kehrte ich wieder nach Anbar zurück. Ein Jahr darauf pilgerte ich nach Mekka, und als ich am Festtag den Kreis um den Tempel machte, sah ich den Prior, Diener des Messias, auch um den Tempel ziehen mit fünf seiner Klosterbrüder. Nachdem ich mich überzeugt hatte, daß er es war, ging ich auf ihn zu und fragte ihn: »Bist du nicht der Prior, Diener des Messias?« Er antwortete: »Nein, ich heiße jetzt Diener Gottes, der Einsiedler.« Dann küßte ich seinen Bart und weinte. Dann ergriff ich seine Hand und bat ihn, mir zu sagen, warum er Muselmann geworden. Er antwortete: »Die Ursache meiner Bekehrung ist wunderbar. Einst reisten nämlich einige fromme Muselmänner durch den Flecken, neben welchem unser Kloster liegt, und schickten einen Jüngling, der bei ihnen war, aus, um Speisen einzukaufen. Da sah der Jüngling eine junge Christin auf dem Markt, welche Brot verkaufte, und fand sie so schön, daß er sich in sie verliebte und vor heftiger Leidenschaft ohnmächtig dahinsank. Als er wieder zur Besinnung kam, ging er zu seinen Reisegefährten und erzählte ihnen, was ihm begegnet, und sagte. »Reiset ihr nur weiter, ich werde nicht
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