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Tausend und eine Nacht, Band 4

Tausend und eine Nacht, Band 4

Titel: Tausend und eine Nacht, Band 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustav Weil
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Platz, wo die Maurer standen, um einen Arbeiter zu holen, der sie wieder aufbauen sollte. Da fiel mein Auge auf einen hübschen Jüngling mit einem feinen Gesicht; ich ging auf ihn zu, grüßte ihn und sagte ihm: »Mein Freund, willst du Arbeit, so komme mit mir!« – »Recht gerne«, antwortete der Jüngling, »doch unter der Bedingung, daß du mir nur 1 1/6 Drachmen Taglohn gibst, und sooft zum Gebet gerufen wird, mich mit der Gemeinde beten lässest.« Ich willigte ein, nahm ihn mit nach Hause und er arbeitete, wie ich noch nie arbeiten gesehen. Als ich ihn an das Mittagessen erinnerte, nahm er nichts an, und ich merkte, daß er fastete. Als dann das Gebet ausgerufen wurde, sagte er: »Erinnere dich unserer Übereinkunft!« Ich sagte: »Gut.« Da löste er seinen Gürtel, wusch sich auf die frommste Weise, ging in die Moschee und betete mit der Gemeinde. Dann kam er wieder und arbeitete mit dem größten Eifer, bis das Nachmittagsgebet ausgerufen wurde. Da erinnerte er mich wieder an die Bedingung, ging in die Moschee und betete mit der Gemeinde, dann kehrte er wieder zur Arbeit zurück. Ich sagte ihm: »Mein Freund, sonst arbeiten die Maurer nur bis zum Nachmittagsgebet.« Er sagte aber: »Gepriesen sei Gott, ich pflege immer bis nachts zu arbeiten.« Als es Nacht war, gab ich ihm zwei Drachmen. Da sagte er: »Was ist das?« Ich antwortete: »Nur ein geringer Lohn für deine große Arbeit.« Aber er warf mir sie zu und sagte: »Ich nehme nicht mehr, als ich mir vorbehalten«, und trotz aller Mühe konnte ich ihn nicht dahin bringen, mehr als 1 1/6 Drachmen zu nehmen.
    Am folgenden Morgen ging ich wieder auf den Sammelplatz der Arbeiter; aber ich fand ihn nicht, und als ich nach ihm fragte, sagte man mir, er komme nur jeden Sonnabend. Ich ging sonnabends wieder, um ihn aufzusuchen, und fragte ihn, ob er in Gottes Namen wieder bei mir arbeiten wollte? Er sagte: »Recht gerne, nach den dir wohlbekannten Bedingungen.« Ich nahm ihn mit nach Hause und führte ihn an die Arbeit. Da bemerkte ich, ohne von ihm gesehen zu werden, wie er nur eine Handvoll Lehm auf die Mauer warf und plötzlich alle Steine fest aufeinander saßen, und ich dachte: Solche Kraft haben nur die Heiligen. Er arbeitete an diesem Tage noch viel mehr als früher, und des Abends gab ich ihm seinen Lohn, mit dem er fortging. Am dritten Sonnabend wollte ich ihn wieder holen, fand ihn aber nicht, und als ich nach ihm fragte, hörte ich, er sei krank und liege auf dem Begräbnisplatz in dem Zelt einer alten Frau, die durch ihre Frömmigkeit berühmt war. Ich ging nach dem Zelt und fand ihn darin auf dem Boden liegend, ohne etwas unter sich zu haben. Ich grüßte ihn und setzte mich ihm zu Häupten und weinte über seine Jugend, die er so in der Fremde zubringen mußte. Ich fragte ihn dann, ob ich ihm irgend einen Dienst erweisen könnte? Er sagte: »Jawohl; wenn du morgen mich wieder besuchst, so wirst du mich tot finden, wasche mich dann, hülle mich in den Oberrock, den ich anhabe, und beerdige mich, ohne jemand etwas von mir zu sagen. Doch ehe du mich beerdigst, nimm aus den Taschen meines Oberkleides, was darin ist. Wenn mich dann die Erde bedeckt und du für mich gebetet hast, so reise nach Baßrah und gib dem Kalifen Harun Arraschid, was du in meiner Tasche findest, und grüße ihn von mir; sage ihm auch, daß ich bis zur Todesstunde mich nach ihm gesehnt, daß weder Haß noch Überdruß mich von ihm getrennt, daß ich nur darum in die Fremde wanderte, weil meine Seele zu fern von seiner Welt stand.« Dann rezitierte er noch folgende Verse:
»O Freund, laß dich durch die Annehmlichkeiten des Lebens nicht verblenden: Das Leben ist nicht von Dauer und seine Freuden vergehen bald; hast du je das Schicksal eines Volks gekannt, so wisse, daß du einst danach gefragt wirst, und hast du je eine Leiche ins Grab geführt, so bedenke, daß man auch dich dahin tragen wird.«
     
    Nachdem er durch diese Verse mich ermahnt hatte, verließ ich ihn, und als ich ihn am folgenden Morgen wieder besuchte, war er tot (Gottes Erbarmen sei mit ihm); ich wusch ihn, öffnete seine Tasche und fand einen Rubin darin, der eine Million Dinare wert war, da dachte ich: Bei Gott, der Jüngling hat der Welt vollkommen entsagt! Ich reiste dann nach Baßrah, begab mich vor den Palast des Kalifen und wartete, bis Harun Arraschid herauskam; dann trat ich ihm in den Weg und gab ihm den Rubin. Sobald er ihn sah, fiel er in Ohnmacht. Die Diener hielten mich an; aber als er zu sich

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