Tausend weisse Flocken
Gesicht. "In letzter Zeit streiten wir uns jeden Tag, weil ich auf ein Internat gehen und er mich hier behalten will, damit er ein Auge auf mich haben kann."
"Das ist doch ganz normal, oder? Die meisten Väter wollen ihre Töchter beschützen."
"Hatten Sie solche Probleme denn auch mit Ihrem Dad, als Sie dreizehn waren?"
Die Frage traf Claire unvorbereitet. "Mein Dad war ... nicht da. Ich hatte nur meine Mutter."
"Oh." Melanie blickte sie ängstlich an. "Tut mir Leid, wenn ich was Falsches gesagt hab."
"Das hast du nicht. Ich bin ohne Vater aufgewachsen, das ist alles - genau wie du ohne Mutter aufwachsen musst."
Als Melanie ein trauriges Gesicht machte, legte Claire ihr den Arm um die Schultern. "Du vermisst sie sehr, stimmt's, Liebes?"
"Ja, vor allem Weihnachten."
"Sicher vermisst sie dich auch und wünscht, sie könnte bei dir sein."
"Glauben Sie das wirklich?"
"Und ob. Keine Mutter verlässt freiwillig ihr Kind."
Das stimmte natürlich nicht. Ansonsten wäre ihre Kindheit ganz anders verlaufen. Doch sie fand es besser, Melanie in diesem Fall anzuschwindeln, zumal diese so strahlend lächelte.
Da fast täglich neue Gäste kamen und Weihnachten immer näher rückte, hatte er, Zach, kaum Freizeit. Schon aus dem Grund hätte er eigentlich dankbar sein müssen, dass Mel jemand gefunden hatte, der ihr Gesellschaft leistete. Stattdessen kochte er vor Wut.
Wenn er dann einmal Zeit für sie hatte, redete sie nur noch von Claire Durocher. Das Ganze grenzte bereits an Heldenverehrung. Claire findet... Claire sagt... Claire weiß ...
Claire kennt...
Dass Mel Claire Durocher so gern mochte, ging ihm gegen den Strich. Als ihr Vater hatte er gewisse Rechte. Aber wen kümmerte das schon? Gott hatte die Welt in sieben Tagen erschaffen, und diese verdammte Französin hatte nur fünf Tage gebraucht, um alles auf den Kopf zu stellen!
"Sie geht mir auf den Geist!" hatte er sich einmal bei McBride beschwert.
"Von wegen. Du bist scharf auf sie und zu stur, es zuzugeben", hatte dieser entgegnet.
Das stimmte nicht. Und selbst wenn es der Fall gewesen wäre, trug er, Zach, zu viel Verantwortung, um eine Frau wie Claire Durocher auf Dauer an sich binden zu können. Außerdem war er nicht bereit, tatenlos zuzusehen, wie sie Mels Leben durcheinander brachte.
Deswegen stellte er sich am Morgen des Dreiundzwanzigsten hinter die große Topfpflanze neben der Tür im Foyer, als Claire Durocher und Mel tief in ein Gespräch vertieft auf das Gebäude zukamen. Warum fiel es Mel nur so leicht, sich einer Fremden anzuvertrauen?
Ein Gefühl, das ihm inzwischen nur allzu vertraut war, durchzuckte ihn. Es war Eifersucht, und es hatte an dem Tag begonnen, als Claire Durocher in ihr Leben getreten war. Die beunruhigende Frage war allerdings, auf wen er eifersüchtig war
- auf die Frau oder auf seine Tochter.
Es war wirklich lächerlich! Und er war ein Narr, wenn er seine Zeit damit vergeudete, darüber nachzudenken.
Jetzt kamen sie die Treppe hoch und kicherten wie die Kinder. Mel trug ihre Daunenjacke und hohe Stiefel, und die Französin sah in ihren schicken europäischen Klamotten so elegant wie eine Tänzerin aus.
Er hasste die Kleinlichkeit, die Claire Durocher in ihm zum Vorschein brachte. Wann hatte Mel ihn das letzte Mal so bewundernd angesehen und so offen und interessiert gewirkt?
Als Claire Durocher ihn bemerkte, trällerte sie ein fröhliches
"Bonjour!", als wäre sie es gewohnt, erwachsene Männer zu entdecken, die sich hinter Topfpflanzen versteckten.
"Guten Morgen", erwiderte er, um denselben höflich-kühlen Tonfall bemüht, doch es klang abweisend und gestelzt. Er hatte sich nie für besitzergreifend gehalten, doch ihm war durchaus klar, warum er Melanie jetzt an sich zog. "Hallo, Schatz. Ich hatte mich darauf gefreut, in Ruhe mit dir zu frühstücken, aber du bist spät dran, und ich habe nicht viel Zeit."
"Macht nichts." Sie befreite sich aus seiner Umarmung.
"Claire leistet mir Gesellschaft."
Zach rang sich ein Lächeln ab. "Vielleicht ist es auch besser so, denn ich bin gleich mit McBride bei den Ställen verabredet.
Aber vielleicht können wir vor dem Mittagessen zusammen Ski laufen."
"Wir? Du meinst, du, ich und Claire?"
Ihm wurde übel. "Wenn du willst."
Claire Durocher blickte ihn durchdringend an. "Aber was wollen Sie, Mr. Alexander?"
Ihr Skianzug war dunkelblau, und der türkisfarbene Rolli, den sie darunter trug, ließ ihre Haut wie Elfenbein schimmern.
Ihr dichtes dunkles Haar glänzte wie
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