Tausendundeine Nacht - Erwachsene Märchen aus 1001 Nacht
zurück. Alle meine Brüder waren schon tot. Da traf ich diesen jungen Mann, behandelte ihn so schön, und er belohnte mich so schlecht; doch wäre er ohne mich gewiß zugrunde gegangen. Der Jüngling ging dann von mir fort, und auch ich unternahm neue Reisen, bis ich ihn hier wieder fand; nun macht er mich auf eine neue Weise verdächtig, wie ich es gar nicht verdiene, indem er mich für einen Schwätzer erklärt.
Der Schneider fuhr dann fort: O König, nachdem wir die Geschichte des Barbiers vernommen und ihn eingesperrt hatten, setzten wir uns, aßen und vollendeten die Mahlzeit, die bis zwei Stunden vor Sonnenuntergang währte; dann ging ich nach Hause. Da machte meine Frau ein mürrisches Gesicht und sagte: »Du lebst in Saus und Braus, und ich muß betrübt zu Hause sein; wenn du nicht, so lange es noch Tag ist, mit mir ausgehst, so werde ich mich von dir scheiden lassen.« Ich ging nun bis abends mit ihr spazieren. Auf unserem Heimweg begegneten wir dem buckligen Lügner, der berauscht umherschwankte. Ich lud ihn ein, kaufte Fische, und nachdem wir miteinander gegessen, blieb ein Stück übrig, in dem eine Gräte war, ich stopfte es dem Buckligen durch die Zähne und hielt ihm den Mund zu; auf einmal hörte er auf zu atmen; er würgte daran und seine Augen verdrehten sich. Ich schlug ihn zwischen die Schultern und griff ihm in den Hals, aber er war tot. Da trug ich ihn weg; ich besann mich lange, wohin ich ihn bringen sollte, und schaffte ihn endlich in das Haus dieses jüdischen Arztes, der dann auch nachdachte, wie er ihn los würde, bis er ihn zu dem Aufseher hinwarf; dieser war aber listig und brachte ihn zum christlichen Makler. Dies ist die Geschichte dessen, was mir gestern widerfahren ist; ist sie nicht wunderbarer, als die des buckligen Lügners?
Als der König von China die Worte des Schneiders hörte, schüttelte er den Kopf vor Entzücken, zeigte ein großes Erstaunen und sagte: »Die Geschichte zwischen dem jungen Mann und dem geschwätzigen Barbier ist schöner und angenehmer als die des Buckligen.« Der König befahl dann einem seiner Offiziere, mit dem Schneider zu gehen und den Barbier aus dem Gefängnis zu holen, und sagte: »Ich möchte diesen schweigenden Barbier sehen und ihn sprechen hören, da er doch die Ursache eurer Rettung geworden; dann wollen wir den Buckligen begraben, der seit gestern schon tot daliegt, und ihm ein Grabmal errichten.« Der Offizier und der Schneider kamen so schnell als möglich mit dem Barbier zurück. Der König von China sah ihn an und merkte, daß er schon mehr als neunzig Jahre alt war, er hatte einen weißen Bart und weiße Augenbrauen, herunterhängende Ohren, eine lange Nase; es lag in seinen Gesichtszügen etwas einfältiges. Der König lachte, als er den Barbier sah, und sagte: »Du Schweigender, erzähle mir eine deiner Geschichten!« Der Barbier sagte: »Was ist, o König der Zeit! mit diesem Christen, dem Juden, dem Muselmann und dem Buckligen vorgefallen? Wer vereint sie hier?« Da sagte der König von China lachend: »Was hast du nach ihnen zu fragen?« Er antwortete: »Um zu zeigen, daß ich kein Schwätzer und unschuldig bin an dem, was man mir vorwirft, weshalb ich der Schweigende heiße.«
Der König von China befahl nun seinen Leuten, dem Barbier die Geschichte des Buckligen von Anfang bis zu Ende zu erzählen. Der Barbier schüttelte ungläubig den Kopf und sagte: »Das ist höchst sonderbar, deckt einmal den Buckligen auf!« Als seinem Wunsche nachgekommen war, setzte er sich an die Seite des Buckligen, nahm seinen Kopf auf den Schoß, betrachtete sein Gesicht und wollte sich vor Lachen ausschütten. Er sagte dann: »Sonderbar, wie jeder Tod seine Ursache hat! Die Geschichte des Buckligen verdient wohl, mit Goldschrift aufgezeichnet zu werden.« Die Leute des Königs erschraken über das Benehmen des Barbiers, und der König von China fragte ihn, was er habe? Der Barbier antwortete: »Bei deiner Huld! es ist noch Leben in diesem Buckligen.« Er zog dann einen Beutel hervor, öffnete ihn und nahm eine Büchse heraus, in der eine Salbe war, womit er dem Buckligen den Hals und die Adern einrieb, dann nahm er ein langes Eisen, fuhr damit in den Hals des Buckligen und zog das Stück Fisch mit der Gräte, das ganz mit Blut beklebt war, heraus. Kaum war der Bucklige von diesem Unrate befreit, so fing er an zu nießen, aufzuspringen und sich das Gesicht vor Freude zu reiben. Der König und seine Umgebung waren sehr erstaunt darüber, wie der
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