Die Backlash-Mission
Prolog
Der Wind, der von Norden über die Ralston Buttes wehte, hatte im Laufe der Nacht aufgefrischt
und nach West gedreht, also würde das Wetter schlecht werden. Lonato Kanai lag unter einer der
Fichten auf dem Bauch, hörte zu, wie die Zweige über seine Flexarmorkampfhaube kratzten, und
spähte durch die Düsternis zu dem direkt vor ihm liegenden dunklen Haus. In einer Stunde,
vielleicht auch früher, würde das Gewitter losbrechen, das gesamte Denverplateau durchtränken und
den Hang, auf dem sich Kanai befand, in besonders scheußlichen Schlamm verwandeln. Doch lange
bevor es so weit war, würden sich Kanai und die übrigen Blackcollars bereits auf dem Heimweg
befinden. Sie hatten sechs Stunden gebraucht, um über die letzten hundert Meter des Waldes zu
robben, aber jetzt hatten sie alle Frühwarn-Bewegungssensoren hinter sich, und das Ziel lag offen
vor ihnen.
Na ja, halbwegs offen. Es gab noch die auf dem Dach montierten Kettengeschütze, die
Sperrminen, die automatisch gesteuerten Infrarot- und Ultraschallsysteme, die nur darauf
warteten, dass die Eindringlinge die Deckung der schwankenden Baumzweige verließen und den
kunstvoll angelegten Rasen betraten. Und natürlich befanden sich ein Dutzend oder mehr bewaffnete
Männer in der Villa.
Kanai griff nach seinem linken Unterarm, löste die zusammengelegte Scharfschützenschleuder aus
der Halterung, klappte sie auf, stützte den Bügel auf seinen Arm und legte eine kleine Bleikugel
in die Mulde. Während des Krieges hatte er es nur mit Mühe zum Scharfschützen gebracht, aber
dreißig Jahre Übung hatten seine Treffsicherheit wesentlich verbessert. Der nächste
Ultraschallprojektor - ein kleines, dreiteiliges Horn - befand sich unter dem Dachgesims. Die
Wolken reflektierten die Lichter von Denver, das im Osten jenseits der Hügelkette lag, und in
ihrem Schein konnte man den Projektor gerade noch ausmachen. Kanai ließ ihn nicht aus den Augen,
beobachtete auch den Rand seines Gesichtsfeldes, brachte seine Ellbogen in eine weniger unbequeme
Stellung und wartete auf das Signal.
Er musste nicht lange warten. Der Pocher an seinem rechten Handgelenk meldete sich unvermittelt
und klopfte die Punkte und Striche des Blackcollarkampfcodes auf zwei Hautstreifen: Angriff!
Kanai hörte sogar durch das Pfeifen des Windes das Krachen, als seine Bleikugel tief in den
Ultraschallprojektor eindrang. Während er das Krachen anderer, ebenfalls zerstörter Sensoren
vernahm, machte er sich rasch zum zweiten Schuss bereit. Ihr Ziel, die Seitentür, war plötzlich
von roten Warnlichtern umgeben.
Der Chef der Nachtwache verstand sein Geschäft, obwohl es ihm nichts nützen würde. Kanais zweiter
Schuss beschrieb einen gemächlichen Bogen auf die Tür zu: die Kugel flog so langsam, dass die
Bewegungssensoren sie wahrnehmen mussten...
Und am Gesims oberhalb der Tür explodierte eine tödliche Wolke von Flechettes.
Die winzigen Metallpfeile prallten noch von den Steinplatten des Patios ab, als die beiden
schwarz gekleideten Männer neben Kanai ihre Deckung verließen und im Zickzack auf die Villa
zurannten. Auf dem Dach begann ein Kettengeschütz zu rattern; im nächsten Augenblick ging seine
Salve ins Leere, weil Kanais Schuss seine Zielrichtung um einige Grad veränderte. Neben der Tür
glitt eine Schießscharte auf, und ein Schauer von Flechettes ergoss sich über die beiden
laufenden Männer. Natürlich erfolglos, denn die wenigen Pfeile, die ihr Ziel erreichten, prallten
vom Flexarmor ab. Einer der Angreifer bewegte die Arme wie Windmühlenflügel und schleuderte dabei
schwarze Wurfsterne in die Schießscharte. Die shuriken fanden ihr Ziel, und der Gewehrlauf
senkte sich. Dann waren die Läufer an der Tür; einer kauerte neben ihr, während der zweite
winzige Sprengladungen in einem X-Muster auf das nächste Fenster drückte. Wenn sie Glück hatten,
würde die Tatsache, dass Kanai einige der automatischen Abwehreinrichtungen an der Tür außer
Gefecht gesetzt hatte, die Verteidiger des Hauses zu der Annahme verleiten, der Hauptangriff
würde hier erfolgen.
Die Angreifer warfen sich zu Boden, und auf dem Fenster explodierten Blitze.
Es zerbrach nicht - dazu war das Glasstik zu dick -, doch als die Nachbilder abklangen, sah Kanai
das Gewirr von Sprüngen. Ein paar kräftige Schläge mit einem nunchaku würden genügen, und
dann waren nur noch die Verteidiger im Innern des Hauses übrig.
Die Angreifer waren inzwischen aufgesprungen, standen
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