Tausendundeine Nacht - Erwachsene Märchen aus 1001 Nacht
Prinzessin zur Frau zu bekommen; haben dich die Köpfe, die du dort siehst, nicht abgeschreckt? Um Gottes Willen, tu dies nicht!«
Aber der Prinz Kamr essaman wiederholte seinen Ausruf. »Du bist ein Eigensinniger«, riefen sie, »bei Gott, erbarme dich deiner Jugend!« – Kamr essaman rief zum dritten Mal: »Ein Sterndeuter, ein Sterndeuter!« und jetzt endlich kam der Großvezier des Königs und führte ihn hinein. Sobald der Prinz den König erblickte, warf er sich nieder und küßte den Boden vor ihm. Der König ließ ihn näher treten und sich neben ihn setzen. »Mein Sohn«, sagte er zu ihm, »nenne dich nicht einen Sterndeuter und unterwirf dich meiner Bedingung nicht, denn ich habe beschlossen, den hinrichten zu lassen, der zu meiner Tochter geht, ohne sie zu heilen und sie nur dem zur Frau geben, der sie heilt. Laß dich von ihrer Schönheit und Anmut nicht verleiten, denn bei dem erhabenen Gott, ich lasse dir den Kopf abschlagen, wenn du sie nicht heilst.« Kamr essaman erwiderte: »Ich unterwerfe mich deinen Bedingungen bereitwillig.«
Der König ließ ihn dies vor Zeugen erklären und befahl nun einem Diener, Kamr essaman zu der Prinzessin Bedur zu führen. Der Diener ergriff seine Hand und führte ihn durch den Gang. Kamr essaman eilte so schnell vorwärts, daß er strauchelte. Der Diener rief ihm zu: »Wo läufst du denn so schnell hin? Nicht einer von so vielen Sterndeutern, die ich hier gesehen, hat eine solche Eile bezeigt.« Kamr essaman sah den Diener an, und sprach folgende Verse:
»Ich kenne alle Vorzüge deiner Schönheit; sie haben mich ganz verwirrt, ich bin wie besinnungslos und weiß nicht, was ich sagen soll.«
»Nenne ich dich Vollmond 4 , so spreche ich unrichtig: denn der Vollmond ist dem Abnehmen unterworfen; deine Schönheit aber bleibt stets unvermindert.«
»Sage ich Sonne zu dir, so weiß ich, daß deine Schönheit sich nie vor meinen Augen verdunkelt, während die Sonne sich oft meinen Blicken entzieht.«
»Vollkommen, ohne Mangel sind deine Reize: sie zu beschreiben ist der Beredsamste unfähig und der Verständigste zu schwach.«
Der Diener ließ dann den Prinzen hinter einem Vorhang vor dem Zimmer der Prinzessin stehen. Kamr essaman sagte zu dem Diener: »Was willst du lieber, soll ich mit dir zu deiner Gebieterin hineingehen, oder soll ich sie von hier aus heilen?« Der Diener war höchst erstaunt über diese Frage und erwiderte: »Es ist besser, wenn du die Heilung von hier aus vollbringst.«
Kamr essaman setzte sich hinter den Vorhang, zog Tinte und Kalam heraus und schrieb folgenden Brief: »Gegenwärtiges ist der Brief eines Menschen, den Unglück verfolgt, den Liebespein verzehrt, den Schmerz und Kummer vor Sehnsucht vernichtet: für ihn ist jede Lebenshoffnung dahin, er sieht dem gewissen Tod entgegen. Nichts kann sein trauerndes Herz vom Gram befreien, und niemand vermag seinem von Kummer stets wachenden Auge beizustehen. Sein Tag vergeht ihm in Flammen und seine Nacht in Qualen. In der Schwäche seines Zustands wiederholt er folgende Verse:
»Ich schreibe dir mit einem Herzen, welches von deinem Andenken glüht, und mit Augen, welche die Sehnsucht entzündet hat, so daß sie Tränen vergießen.«
»Brennende Liebespein umhüllt meinen Leib mit dem Gewande der Magerkeit und erniedrigt ihn.«
»Ich klage die Liebe an um deswillen, was sie mir geschadet: denn nimmer länger bin ich im Stande, ihre Schläge zu ertragen.«
»O sei doch milde und huldreich gegen mich, erbarme dich mein und neige dich mir zu; nimm in deinen Schutz einen Jüngling, dessen Innerstes schon ganz zerrissen ist.«
Unter diesen Brief schrieb er noch folgendes: »Heilung der Herzen ist nur bei Wiedervereinigung der Geliebten, und ihre schrecklichste Qual ist die Trennung. Wer seinen Geliebten hintergeht, den wird Gott zur Verantwortung ziehen, und wer von uns beiden dem anderen treulos wird, dem möge keiner seiner Wünsche erfüllt werden. Du erhältst diesen Brief von dem, der sich nicht zu nennen braucht, um erkannt zu werden; an das schönste und lieblichste der Mädchen, vom treuen Liebenden an die grausame Geliebte, vom Verzweifelnden, Umherirrenden an die schmachtende Gazelle, an die vollkommene Jungfrau, die Perle ihres Geschlechts. Die Nächte bring’ ich schlaflos zu, die Tage in düsterem Sinnen; zunehmend ist meine Magerkeit und Entstellung, gering meine Erholung und Ruhe. Ich habe keinen Freund und niemand teilt meinen Kummer. In meiner Brust brennt eine Flamme, die nicht
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