Taxi
trafen, begriff ich, dass es dem große Affen ganz ähnlich ging wie mir: Kein Spaß, kein Ausweg, und nicht die geringste Hoffnung, dass sich daran je etwas ändern könnte. Sein Besitzer hatte ein hartes wettergegerbtes Gesicht und ungewöhnlich viele Falten. Ein Brutalo mit kalten Sklavenhalteraugen. Er hatte ein Hundehalsband um den Hals des Schimpansen gebunden und hielt die Leine in der Hand. Mir war ganz elend. Die Ampel am Millerntor stand noch auf Rot, und ich rollte langsam darauf zu und schaltete in den zweiten Gang zurück, um gleich durchstarten zu können, wenn sie umsprang. Der arme Affe. Wo man auch hinsah, nichts als Qual und Unterdrückung. Meine Hand lag immer noch auf dem Schaltknüppel, als sich eine zweite darauf legte, eine schwarze und warme. Ich schaute hoch. Der Schimpanse sah mir wieder in die Augen und nickte ganz leicht. Herrje, wenn das ein Tier war – was war dann bitte ich?
»Nicht anfassen«, sagte der Mann. »Der ist bösartig. Der beißt.«
Er riss den Arm des Schimpansen weg und schlug ihm mit der Hundeleine auf den Kopf, bis der große Affe sich auf den Boden hockte und die Augen schloss.
»Nicht schlagen«, sagte ich, »bitte nicht schlagen.«
»Der ist bösartig«, sagte der Mann noch einmal. »So ein Schimpansenangriff ist das Schlimmste, was du dir vorstellen kannst. Der beißt dir ins Gesicht. Der springt dich an, und dann reißt der dir Stücke aus dem Gesicht. Und wenn du deine Hand davor hältst, beißt er dir die Finger durch wie Bananen.«
Plötzlich schossen die langen haarigen Arme des Schimpansen aus dem Fußraum, er umklammerte die beiden Nackenstützen und katapultierte sich mit einem einzigen Satz auf den Rücksitz. Die Hundeleine flog dem Mann aus der Hand.
»Uuh, uuh«, schrie der Schimpanse und hopste auf dem Rücksitz, wobei sein Kopf jedes Mal gegen die Decke stieß. Er fletschte die Zähne.
»Anhalten«, sagte sein Besitzer. »Schnell!«
Ich steuerte den Straßenrand an und hielt vor der Michaeliskirche. Der Mann stieg aus und schloss die Beifahrertür sorgfältig hinter sich, damit sein Affe nicht entkommen konnte. Als er die hintere Tür öffnen wollte, um sich zu dem Schimpansen auf den Rücksitz zu setzen, trat ich aufs Gaspedal. Ich handelte rein instinktiv. Ich wusste nicht, was ich tat, bis ich es getan hatte. Und dann war es auch schon zu spät.
»Huu«, schrie der Schimpanse und klatschte in die Hände.
»Huhu-huhu-huhu-hu.«
Ich fuhr die Ost-West-Straße runter. Für ein paar Minuten kam mir die Sache machbar vor. Wir würden im Zwodoppelvier nach Süden fahren, tanken, ohne zu bezahlen, und uns vergammeltes Obst von den Hintertüren der Supermärkte holen. Immer weiter würden wir fahren, bis nach Spanien, bis wir am Mittelmeer waren. Dort würde ich das Taxi an irgendein zwielichtiges Gesindel verkaufen, und wir würden uns bei Nacht nach Afrika übersetzen lassen und dann irgendwie nach Tansania durchschlagen. Der Schimpanse würde mir beibringen, wie man in den Dschungelbäumen Schlafnester baut, und ich würde mit meinen letzten Streichhölzern ein Feuer anzünden, in dem wir seinen Häkelpullover und seine Windelhose verbrannten.
Als ich über die Elbbrücken fuhr – zu meiner Rechten der rotviolette Abendhimmel und davor der Schattenriss der immer kleiner werdenden Stadt –, kamen mir die ersten Bedenken. Ich schaute auf die Tankanzeige. Drei viertel voll. Der Schimpanse war immer noch bester Laune, stieß kurze schnaubende Laute aus und hopste und krabbelte vom Rücksitz auf den Beifahrersitz und wieder zurück, wobei er sich jedes Mal mit einer Hand auf meinem Kopf abstützte. Als er das nächste Mal vorbeikam, hielt ich ihn fest und machte ihm das Halsband ab. Das Taxi steuerte ich so lange mit den Knien.
Auf Höhe der Autobahnraststätte Stillhorn schaltete sich knackend und rauschend das Funkgerät ein.
»Zwodoppelvier.«
»—«
»Zwodoppelvier, bitte melden Sie sich.«
»—«
»Zwodoppelvier, wo auch immer Sie gerade stecken – kann es sein, dass Sie noch einen Schimpansen im Wagen haben?«
»—«
»Zwodoppelvier, hören Sie mich? Wenn Sie sich nicht umgehend bei uns melden, müssen wir die Polizei verständigen.«
»—«
»An alle Kollegen: Wenn Sie die Zwodoppelvier sehen, bitte sofort in der Zentrale Bescheid sagen.«
Wir fuhren an der Ausfahrt Hamburg-Harburg vorbei. Ich überholte einen roten Kadett, dessen Fahrer mit offenem Mund den turnenden Schimpansen anstarrte. Nur gut, dass es gleich dunkel
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