Taxi
da Ordnung rein zu bringen. Und da dachte ich, du könntest das vielleicht für mich machen … ich meine für Geld. Ich bezahl dir das natürlich.«
Sein Gesicht glänzte vor reiner Lauterkeit.
»Nein.«
Mein Nein kam so leise und heiser heraus, dass es fast wie eine Entschuldigung klang. Ich ärgerte mich deswegen.
»Na ja, ich meine ja bloß, weil … Du brauchst doch Geld. Und weil du ja auch schon in der Taxifirma geputzt hast, da dachte ich …«
»Nein.«
Er zuckte mit den Schultern, soweit seine Verletzungen das zuließen, und wandte sich zum Gehen. Dann drehte er sich noch einmal um:
»Sag mal, findest du das eigentlich angemessen, wie wir auseinandergegangen sind?«
Ich räusperte mich.
»Findest du nicht, dass wir uns noch einmal aussprechen sollten?«
»Nein«, sagte ich. »Du hast doch Charakter-Aids. Und ich hoffe, die Zuhälter schieben dir einen Pitbull in den Arsch.«
»Okay. Schon gut«, sagte Majewski erstaunlich gefügig und hob die Arme – den eingegipsten nur halb –, als hätte ich eine Pistole auf ihn gerichtet. »Schon gut, schon gut.«
Dann humpelte er demonstrativ leidend die Treppe hinauf.
65
Der Brief war natürlich wieder von der Lotteriegesellschaft.
Letzte Anweisung für Ihren Gewinnabruf!
Sehr geehrte Frau Terweg,
ich verstehe Sie nicht. Es stehen 25.000 DM auf dem Spiel. Jetzt haben Sie schon einmal das große Glück, und Sie melden sich nicht. Bitte glauben Sie es endlich: Sie sind beim großen 25.000 DM-Super-Glücks-Jackpot als Gewinnerin bestätigt. Jetzt liegt es nur noch an Ihnen. Und – nicht wahr – Sie könnten das Geld doch gut gebrauchen. Es ist Ihre letzte Chance. Wenn Sie Ihren Gewinnanteil nicht innerhalb einer Frist von zehn Tagen anfordern, geht er gemäß den auf der Rückseite der Gewinnbescheinigung abgedruckten Gewinnabrufregeln zurück in den Jackpot. Das hat mein Chef so entschieden. Ich kann da leider überhaupt nichts machen. Glauben Sie mir, Frau Terweg, es ist von höchster Wichtigkeit, dass Sie keine Zeit verlieren. Rufen Sie mich doch einfach an und geben Sie mir Ihre Bankdaten telefonisch durch. Mein Chef wird sicher morgen schon fragen, ob Sie Ihren Gewinn endlich angefordert haben. Dann möchte ich ihm mit reinem Gewissen sagen können, dass er das Geld an Sie persönlich nach Hamburg schicken kann.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Giesela Kleiber
66
Ich wartete mit meinem Taxi am unteren Ende der Reeperbahn, vor einem Schuhgeschäft, in dessen Schaufenster ausschließlich rote, schwarze und weiße Stiefel mit dünnen Zwanzig-Zentimeter-Absätzen und bis weit übers Knie reichenden Schäften standen. Es war ein schöner, warmer Sommerabend. Ich hatte mein Fenster heruntergekurbelt, stützte den linken Arm auf die Autotür und beobachtete, wie eine Reisegruppe aus einem Bus mit Heider Kennzeichen quoll und aufgekratzt in die Große Freiheit strömte. Die Türsteher vor den Sexshows machten sich einen Spaß daraus, einzelnen Frauen Anzüglichkeiten zuzurufen. Ich sah, wie den Frauen dann das Gesicht gefror und wie ihre Männer verlegen mit den Türstehern lachten.
Jemand öffnete meine Beifahrertür.
»Nehmen Sie einen Schimpansen mit?«
Der ausgemergelte Mann in seinem abgewetzten Zirkuspullover stieg vorne ein und stellte sich den Schimpansen zwischen die Beine. Ich wurde ganz aufgeregt. Es war wirklich ein richtiger echter Schimpanse, auch wenn er einen blau und weiß gestreiften Häkelpullover trug und eine blaue Baumwollhose, die mit einer Windel ausgestopft war. Wahrscheinlich war er noch längst nicht ausgewachsen, aber er wirkte riesig, wie er da neben mir stand und sich am Armaturenbrett festhielt. Sein Kopf stieß gegen den Autohimmel.
»Zum Hansa-Theater, kannst mich aber am oberen Ende vom Steindamm rauslassen.«
Draußen juchzten zwei dicke Frauen auf. Sie waren zu dem Türsteher gegangen und bogen sich vor Lachen. Sie konnten von seinen Frechheiten gar nicht genug bekommen.
»Hier war mal ein Landfrauenverein aus Schleswig Holstein«, sagte der Mann im Zirkuspullover, »die wollten einen Ausflug über die Reeperbahn machen, und dann hat denen jemand K.o.-Tropfen in den Piccolo getan. Und als die am nächsten Morgen aufgewacht sind, waren die alle rasiert und hatten Gruß von St. Pauli quer drüber tätowiert.«
Die Geschichte kannte ich schon. Bloß, dass es damals ein Damenkegelverein gewesen war, dem es passiert sein sollte.
Der Schimpanse sah zu mir herüber, und in dem kurzen Moment, als sich unsere Blicke
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