Taxi
unsympathische Prüfer. Den älteren Türken, der bloß eine einzige Straße vergessen hatte, ließen die beiden Dicken durchfallen. Mit Gerechtigkeit hatte das alles nichts zu tun, aber ich tat natürlich den Teufel, mich zu beschweren. Noch am selben Nachmittag schwang ich mich auf mein Fahrrad und fuhr zu dem Taxibetrieb, den ich mir in der Bild-Zeitung ausgesucht hatte.
3
Die Firma Mergolan bestand aus einem gläsernen Büro, einer Werkstatt und zweiundzwanzig Taxis. Der Chef sah aus wie ein Postkarten-Ungar, mit seinem scharf gescheitelten schwarzen Haar und dem melancholischen Hirtenbart im runden Gesicht. Über seinem Schreibtisch hing jedoch eine goldgerahmte Fotografie des Schahs von Persien. Mergolan verkaufte mir ein Kellnerportemonnaie und einen Stadtplan Großraum Hamburg .
»Billiger als bei uns kriegst du die sowieso nirgends«, sagte er. Eine Pistazienschale stahl sich über den Rand seiner Unterlippe und fiel auf den Betonboden. Mergolan ging mit mir nach draußen, wo ein schwarzhaariger Mann im blauen Overall gerade die Motorhaube eines Taxis schloss.
»Das ist Mustafa. An den musst du dich wenden, wenn irgendetwas an deinem Taxi kaputt ist.«
Mustafa hob grüßend die schmierige Hand. Mergolan setzte sich mit mir in den Mercedes. Heiße Luft schlug uns entgegen. Es war Juni und der Wagen hatte sich in der Sonne aufgeheizt. Wir ließen die Türen offen. Mergolan knipste Dachschild und Funkgerät an.
»Wir sind beim Wandsbeker Funk angeschlossen. Alle Wagen, die so ein Hamburg-Wappen hinten drin haben, gehören zum Wandsbeker.«
Auf dem Wappen stand die Nummer Zweihundertvierundvierzig. Mergolan zog den Tourenblock hinter der Sonnenblende hervor und zeigte mir, wie ich die besetzt und unbesetzt gefahrenen Kilometer und den Geldbetrag von Taxameter und Kilometerzähler abschreiben und in die Tabelle übertragen musste.
»Bei uns kriegst du fünfzig Prozent von dem, was du einfährst. Und zweihundert Mark sollten eigentlich immer drin sein – also hundert für dich plus Trinkgeld. Wenn du tanken musst, lässt du dir ’ne Quittung geben und legst die nachher mit in den Briefumschlag. Das Geld kannst du natürlich abziehen. Und wenn das Geschäft gut läuft, dann fährst du auf der Tankstelle die Dieselzapfsäule für Lkws an. Dann ist dein Tank in zwanzig Sekunden voll und du kannst gleich weiterfahren. Alles klar?«
Er stieg aus. Ich verstaute den Stadtplan, einen Apfel und ein Tränengasspray neben dem Fahrersitz, packte meine alte Schweinsleder-Aktentasche in den Kofferraum, klemmte den Tourenblock wieder unter die Sonnenblende und fuhr los. Der Himmel war blau, nur an wenigen Stellen von durchsichtigen Wolkenstreifen schraffiert. Ich hatte die Nachtschicht genommen, die von achtzehn Uhr bis sechs Uhr morgens ging. Nachts fahren und tagsüber schlafen, davon versprach ich mir mehr Abenteuer.
Der erste Taxi-Posten, der mir vor die Kühlerhaube kam, war der Posten Hagenbecks Tierpark. Mein Wagen war das einzige Taxi dort, und ich konnte gleich bis ganz nach vorn rollen. Schräg gegenüber, auf der anderen Straßenseite äugten zwei langhaarige Esel über den Zoo-Zaun und ließen die wolligen Ohren in der Hitze hängen. Ich kurbelte das Seitenfenster herunter, verteilte mein Wechselgeld im Kellnerportemonnaie und wartete. Ich wartete und wartete. Ein weiteres Taxi hielt hinter mir und dann noch eines. Jedes Mal, wenn das Funkgerät knackte und die Stimme etwas sagte, zuckte ich zusammen. Technische Geräte schüchterten mich ein. Außerdem hatte ich seit jeher große Angst, etwas falsch zu machen. Und ich musste ja nicht nur auf die Funkerin achten. Da draußen gab es auch noch eine grüne Telefonsäule, den sogenannten Mini, der jede Sekunde klingeln konnte. Was sollte ich eigentlich tun, wenn beides gleichzeitig passierte – wenn die Funkerin den Posten Hagenbeck rief und genau in dem Moment auch der Mini klingelte? Ich drehte den Kopf, um herauszubekommen, ob die Wagen hinter mir beim selben Funk angeschlossen waren und mich anschwärzen konnten, falls ich einen Fehler machte. In diesem Augenblick stieg eine Frau in mein Taxi ein und setzte sich auf die Rückbank. Sie trug ein kariertes Kostüm und hatte ein liebes, müdes Gesicht. Ihre Handtasche war auch kariert.
»Zur Meerweinstraße, bitte.«
»Gut«, sagte ich, »zur Meerweinstraße. Alles klar. Wo geht die noch mal ab, die Meerweinstraße?«
»Von der Großheidestraße.«
Ich zog den Straßenatlas neben dem Sitz heraus und
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