Taylor Jackson 02 - Der Schneewittchenmörder
hatten nicht feststellen können, wo sie tatsächlich umgebracht worden war.
Elizabeth Shaws Fundort sah nicht ganz so aus wie die damalige Arbeit des Schneewittchenkillers, aber während ihrer Autopsie hatten man Proben von rotem Chanel-Lippenstift nehmen können. Untersuchungen der Knoten an den Seilen zeigten, dass sie viel komplexer waren, als sie ursprünglich ausgesehen hatten. Und selbst die erfahrensten Officer waren alarmiert, als ein zwei Jahrzehnte alter Zeitungsausschnitt über den ersten damaligen Schneewittchenmord aus der Vagina des Opfers gezogen wurde. Alle Gedanken daran, dass es sich um einen ganz normalen Mord handelte, lösten sich in Luft auf, und still und leise wurden in der Mordkommission die Akten zu einem zwanzig Jahre alten Fall wieder geöffnet.
In schneller Folge waren zwei weitere Mädchen entführt und ermordet worden. Candace Brooks wurde drei Wochen später umgebracht und an der Interstate 65 abgelegt. Die Presse fing an, die Morde dem „Highwayman“ zuzuschreiben, da die Interstates die einzige Verbindung zwischen den beiden Verbrechen zu sein schien. Candace’ Autopsie war der von Elizabeth erschreckend ähnlich, bis hin zu dem Zeitungsausschnitt – der sich in diesem Fall mit dem zweiten Schneewittchenmord vor zwanzig Jahren befasste.
Als Opfer Nummer drei, Glenna Wells, auf einer Bootsrampe am Percy Priest Lake auftauchte, war die Presse vor der Rechtsmedizin am Fundort. Eine scharfäugige junge Reporterin hatte einen Blick auf die Leiche werfen können, den roten Lippenstift gesehen, die Art, wie die Tote hingelegt worden war, und war mit der Videoaufnahme direkt zu ihrem Sendeleiter gerannt. Der Producer war ein alter Hase und erkannte die Szenerie aus seinen frühen Zeiten als Reporter. Der Highwayman wurde umbenannt in „die Wiederauferstehung des Schneewittchenmörders“. Taylor und die Metro Police steckten gehörige Prügel dafür ein, die Öffentlichkeit nicht davor gewarnt zu haben, dass ein lange Zeit untergetauchter Serienmörder wieder sein Unwesen trieb. Damit begann der Medienhype. Glennas Leiche schenkte den Ermittlern einen dritten Zeitungsausschnitt, aber keine weiteren Hinweise.
Und jetzt gab es ein viertes Opfer.
Die Mädchen waren im Tode vereint: durch die klaffenden Halswunden, die Zeitungsausschnitte, die Knoten und den verdammten Chanel-Lippenstift. Bluttests deuteten darauf hin, dass sie mehr als den erlaubten Blutalkoholspiegel hatten, alle irgendwo zwischen 1,5 und 2,0 Promille. Auch Reste von Rohypnol fanden sich. Es war offensichtlich, dass alle vier Mädchen von dem gleichen Menschen getötet worden waren. Ob es sich um den originalen Schneewittchenmörder oder um einen Nachahmungstäter handelte, stand immer noch zur Debatte. Ein wesentlicher Unterschied zwischen den aktuellen Morden und denen aus den 1980er-Jahren waren diese öligen, cremigen Rückstände auf den Gesichtern der Mädchen. Da sie keine Möglichkeiten hatte, eigene DNA-Tests durchzuführen, wartete Sam immer noch auf die Ergebnisse des Labors. Die DNA würde ihnen die Wahrheit sagen – ein Nachahmer oder der echte Mörder. Taylor neigte zu Ersterem. Die Unterschiede waren gering, aber sie waren da.
„Hallo, Erde an Taylor. Kannst du mir hier mal helfen?“
„Oh, tut mir leid, Sam. Ich habe gerade an etwas anderes gedacht.“
Sam schaute sie scharf an, dann zeigte sie auf das Mädchen. „Kannst du ihr rechtes Bein anheben? Ich sollte sie eigentlich in die Beinhalter legen, aber da du ja da bist …“
„Klar, kein Problem.“
Taylor umfasste das Bein des toten Mädchens und ignorierte das seltsame Gefühl von totem Fleisch unter den dünnen Latexhandschuhen. Es fühlte sich ein bisschen an wie die Haut an einem Stück Hühnerbrust. Gummiartig, lose. Ihre Hand wäre beinahe abgerutscht. Verdammt, Mädchen, reiß dich zusammen, schalt sie sich. Sie fasste fester zu, zog das Bein zurück und entblößte die Genitalien des Mädchens. Sam hatte sich bereits an die Arbeit gemacht, nahm Abstriche und beeilte sich, die notwendigen Untersuchungen so sorgfältig und schnell wie möglich durchzuführen. Taylor versuchte, sich auf den Hinterkopf ihrer Freundin zu konzentrieren, aber dann sah sie etwas glitzern, eine Reflektion des Lichts. Sie schaute genauer hin.
„Ein Intimpiercing?“
„Ja“, erwiderte Sam mit einem Hauch Ekel in der Stimme. „Du wärst erstaunt, wie viele ich davon zu sehen bekomme. Keine Stelle, an der ich gerne eine Nadel durchgesteckt bekäme,
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