Taylor Jackson 02 - Der Schneewittchenmörder
würde ein kleines Spiel ihre Gedanken von dem Fall ablenken. Es gab keinen Grund, hier herumzuliegen und Löcher in die Luft zu starren.
Der Billardtisch stand in dem Raum über der für drei Autos ausgelegten Garage. Taylor verließ das Schlafzimmer und schloss die Tür mit einem ganz leisen Klicken hinter sich. Ein Nachtlicht erleuchtete den Weg. Sie ging den langen, breiten Flur entlang, an leeren Zimmern vorbei. Zimmer, die ein Versprechen bergen sollten, sie aber mit ihrer Leere nur verspotteten. Heirat. Babies. Klaffende Münder von schwarzhaarigen, rotlippigen Mädchen.
Zur Hölle damit. Sie joggte die letzten Stufen der Treppe hinunter und stand in dem Raum, der einen Großteil ihres alten Lebens beherbergte.
Sie betätigte den Schalter, und der Raum füllte sich mit sanftem, gelbem Licht. Leise schloss sie die Tür hinter sich, ging zum Pooltable, nahm das Laken herunter und warf es achtlos auf die Couch. Dann trat sie wieder an den Tisch, positionierte die Kugeln und nahm sich einen Augenblick, um sich noch einmal zu strecken. Die Spannung in ihrem Nacken löste sich mit einem hörbaren Knacken. Besser. So gelockert, nahm sie den Queue und schoss eine Kugel nach der anderen in die vorgesehene Tasche.
Sie ignorierte die Gesichter an den Wänden. Sie hatte den Billardraum in eine Art Büro verwandelt, einen Ort, an dem sie ihre Nächte verbringen und über die Morde nachdenken konnte, während sie versuchte, zu entspannen. Elizabeth Shaw, Candace Brooks und Glenna Wells lächelten auf sie herab. Zumindest waren sie schnell identifiziert worden. Dieses neue Opfer war noch namenlos.
Klack – Schneewittchen.
Klack – Janesicle.
Klack, klack, klack – Hochzeit, Nachahmer, vier tote Mädchen.
Die Spannung ließ nach, und sie fand ihren Rhythmus. Sie würde diesen Kerl kriegen. Das tat sie immer.
Sie war bei ihrem vierten Spiel, als die Tür geöffnet wurde.
Baldwin stand im Türrahmen, die Haare zerzaust, Abdrücke vom Kissen auf der linken Wange. Er stieß einen kleinen Pfiff aus, und sie schmolz dahin. Er sah so unglaublich, unwiderstehlich süß aus, dass Taylor nicht anders konnte. All die bösen Gedanken verließen ihren Kopf. Die Sorgen, die Frustrationen verschwanden. Sie stellte den Queue in den Halter und ging zu Baldwin hinüber. Wortlos nahm sie seine Hand und führte ihn zurück ins Schlafzimmer.
4. KAPITEL
Nashville, Tennessee
Dienstag, 16. Dezember
6:40 Uhr
Taylor stand früh auf, die Augen noch ganz geschwollen vom Schlafmangel. Sie ließ Baldwin im Bett, schob ihm ein Kissen in den Arm und spürte ihr Herz brechen, als er lächelte und dem Kissen etwas zumurmelte. Ihn so zu sehen und daran zu denken, was er getan hatte, um sie schlussendlich zum Schlafen zu bringen, ließ alle Sorgen wegen der bevorstehenden Hochzeit lächerlich erscheinen.
Sie zog eine Jeans an und schlüpfte in ihre Ugg-Boots und einen beigefarbenen Strickpulli. Im Vorbeigehen schnappte sie sich aus der Küche eine Banane und einen Müsliriegel und stieg in ihren 4Runner. Am Ende der Ausfahrt hatte sich eine Schneewehe aufgetürmt, aber der Truck glitt wie auf Schienen durch sie hindurch.
Die Gegend sah wunderschön aus, klar und rein, erstrahlte in einem Weiß, das nur frisch gefallener Schnee vor einem knackigen Winterhimmel haben konnte. Sie fühlte sich wie in den Bergen; die laublosen Bäume mit den dichten weißen Mützen auf den schwarzen Stämmen, die fedrigen Zweige der Immergrünen bedeckt von einer glitzernden Eisschicht, der Himmel strahlend blau, wie er im Süden im Winter selten zu sehen war. Die Schönheit heiterte sie auf, und sie verließ die stille Nachbarschaft in guter Stimmung. Nun konnte das Wetter schon ihr Herz berühren. Jesus. Sie wurde wirklich weich.
In den Vororten waren die Straßen noch nicht geräumt und – wenn man keinen Allradantrieb hatte – unpassierbar. Die Hauptstraßen waren jedoch relativ frei und noch nicht wieder überfroren. Vorsichtig bahnte Taylor sich den Weg zu Starbucks, bestellte am Drive-Through einen fettarmen, zuckerfreien Vanille-Latte und fuhr dann weiter zur Arbeit.
Die Autopsie von Janesicle war für sieben Uhr früh angesetzt, und Taylor hatte vor, dabei zu sein. Vielleicht hätte Sam auch schon die Ergebnisse des Massenspektrometers. Wenn es sich wirklich um Opfer Nummer vier handelte, würde es schwer werden, das geheim zu halten.
Sie schaltete das Radio an und suchte so lange, bis sie einen Sender gefunden hatte, der Musik spielte, die ihr
Weitere Kostenlose Bücher