Taylor Jackson 03 - Judasmord
Frühling in Nashville auch war, das Wetter gebärdete sich vollkommen schizophren. In der einen Minute sonnig, in der nächsten stürmisch. Sie nahm ihre Sonnenbrille ab und hakte sie mit einem Bügel in den Ausschnitt ihres Pullovers.
„Hey“, rief Fitz und zeigte auf einen weißen Chevy Impala, ein offizielles Fahrzeug des Departments. „Ich muss noch mal kurz ins Büro. Willst du was trinken?“
Mit einem Nicken machte Taylor sich auf den Weg zu dem Wagen. Sie setzte sich auf den Beifahrersitz und schob ihn ein wenig zurück, um Platz für ihre langen Beine zu schaffen. Fitz verschwand in den Eingeweiden des CJC und kehrte ein paar Minuten später mit zwei Dosen Cola light zurück. Er reichte ihr eine davon und setzte sich dann hinters Lenkrad. Taylor öffnete ihre Cola, nahm einen Schluck und stellte die Dose zwischen ihren Oberschenkeln auf den Sitz.
Einen kurzen Moment schaute die Sonne hervor und blendete sie. Zeit, die Sonnenbrille wieder aufzusetzen, eine neue Ray Ban, die sie im Malpensa-Flughafen in Mailand erstanden hatte. Sie hatte große, dunkle Gläser und verschaffte ihr eine beinahe glamouröse Aura – eine winzige Hommage an die neu erwachte Europäerin in ihr. Man sah und spürte viel mehr von einem fremden Land, wenn man es mit jemandem bereiste, der die Sprache sprach. Taylor hatte schon mehrere Reisen nach Übersee unternommen, doch nie hatte sie die Länder dabei so intensiv erlebt wie jetzt Italien an der Seite von Baldwin.
Sie hatte Probleme, sich hier wieder zu akklimatisieren. Sie vermisste die Leichtigkeit der italienischen Lebensart. Die geruhsamen Autofahrten, die Pausen, um etwas zu essen und guten Wein zu trinken; die symmetrische Schönheit der Olivenhaine und Weinberge, die von Zypressen gesäumten Alleen und das Gefühl, sehr, sehr jung zu sein. Und wenn sie ehrlich war, war es auch verdammt nett gewesen, drei Wochen lang keine einzige Leiche zu sehen.
Das zarte erste Sonnenlicht wurde wieder von Wolken verdunkelt, doch Taylor behielt ihre Sonnenbrille trotzdem auf. Diese Übergangsmonate waren einfach nur nervig. Sie wollte, dass es entweder kalt oderwarm war, sonnig oder bewölkt. Aber nicht dieses Durcheinander.
Fitz lenkte den Wagen vom Parkplatz.
„Wie geht es dir?“, fragte er.
„Ich habe einen Wasserschaden in meinem Badezimmer“, schmollte sie.
„Ich habe dir doch gesagt, dass man kein neues Haus kauft. Wenn du was Richtiges genommen hättest, stabil und solide, wie die großen alten viktorianischen Villen in East Nashville, hättest du diese Probleme jetzt nicht.“
„Nein, Fitz. Ich hätte nur Termiten und Straßenbanden. Vielen Dank, aber Gentrifizierung ist nicht so mein Ding.
„Verwöhnter Fratz.“
„Das hat damit gar nichts zu tun. Wir wollten nur etwas … Luftiges.“
Fitz lachte. „Luftig, ist klar. Du wolltest etwas, das groß genug ist für den vermaledeiten Billardtisch und einen Haufen Kinder.“
Taylor schaute ihn misstrauisch an. „Wie um alles in der Welt kommst du denn darauf?“
Er erwiderte ihren Blick mit hochgezogener Augenbraue. Das verlieh seinem Gesicht einen leicht schiefen Ausdruck, wie Popeye mit geröteten Falten. „Willst du etwa keinen?“
„Keinen was?“
„Einen Haufen Kinder mit dem Fed.“ Er sagte es so ruhig, dass sie sofort wachsam wurde.
„Wo hast du solche Sachen nur immer her? Ich habe nie irgendetwas übers Kinderkriegen gesagt. Wir schaffen es ja noch nicht einmal zu heiraten, also bin ich bestimmt nicht auf der Jagd nach Nachwuchs. Ich weiß noch nicht mal, ob ich überhaupt welchen haben will.“ Sie schaute aus dem Fenster und sah Downtown Nashville vorbeiziehen wie einen Schleier, der gelüftet wurde. Aus Steinen und Zement wurde Laub. Sie waren im West End und fuhren Richtung Hillwood. Eine idyllische Fahrt durch die Vororte. Hatte das Fitz zu seiner Frage veranlasst?
„Okay, Mädchen, ich bin überzeugt. Aber ich habe gehört, dass dieser Tatort ein wenig verstörend ist. Wenn du also mit dem Gedanken gespielt hättest, ein Kind zu haben, hätte ich dir geraten, ihn lieber nicht zu betreten und nicht hinzuschauen.“
„Meine Güte, Fitz, jetzt sag endlich, was da los ist.“
„Parks ist da. Hey, da steckt ein Foto hinter der Sonnenblende, kannst du das mal herausholen?“
Gut, dachte Taylor. Bob Parks war ein besonnener Streifenpolizist der Metro Police. Wenn es am Tatort etwas Wildes gäbe, wüsste er, wie es zu zähmen war, damit die Presse nicht zu verrückt spielte. In der
Weitere Kostenlose Bücher