Taylor Jackson 03 - Judasmord
Erwartung, ein Tatortfoto zu sehen, klappte sie die Sonnenblende herunter. Doch stattdessen fiel ihr das Bild eines Bootes in den Schoß. Sie drehte es richtig herum, um es anzusehen. Es war ein hübsches Boot mit hohen Segeln, das durch unglaublich blaues Wasser segelte.
„Ja …?“
„Parks sagte, es wäre da draußen ein wenig gruselig, das ist alles.“
„Nein, ich meine, was ist mit dem Boot?“
„Ich denke darüber nach, es zu kaufen.“
Taylor schaute sich das Bild noch einmal an. Es war … nun ja, es war ein Boot. Mehr hatte sie mit Segeln nicht am Hut.
„Wann willst du damit fahren?“
„Meine Güte, LT, man nennt das segeln. Und es ist für die Zeit nach meiner Pensionierung.“
Fitz presste die Lippen aufeinander. Taylor kannte diese Geste – er hatte alles gesagt, was es zu sagen gab. Er hatte sie vor dem Tatort gewarnt und ihr eine Bombe über die Zukunft in den Schoß fallen lassen; mehr würde er nicht von sich geben. Großartig.
Ein Krankenwagen schoss an ihnen vorbei; er kam aus der entgegengesetzten Richtung. Er fährt ins St. Thomas, dachte sie und bekreuzigte sich innerlich, wie jedes Mal, wenn sie eine Sirene hörte. Nach dreizehn Jahren bei der Truppe, davon fünf in der Mordkommission, war sie nicht so abgestumpft, dass sie kein Mitgefühl mehr für die Menschen auf dieser Welt hatte, die eine helfende Hand benötigten.
Sie spielte mit ihrem neuen Verlobungsring. Der Nach-Verlobung-vor-Hochzeit-Ring, um genau zu sein. Bei seinem ersten Antrag hatte Baldwin ihr einen umwerfenden Zweikaräter von Tiffanys gekauft, dessen Platinring von perfekten kleinen Steinen im Baguetteschliff eingefasst wurde. Wunderschön, aber unpraktisch. Und da die Hochzeit nicht stattgefunden hatte – sie war ohne eigenes Verschulden kurzfristig verhindert gewesen; während Baldwin allein am Altar gestanden hatte, war sie getasert und bewusstlos nachNew York geflogen worden –, war der neue Ring das Sinnbild einer zweiten Chance.
In Florenz hatte Baldwin sich ein paar Minuten davongestohlen und war zum Dinner in ihrem Lieblingslokal „Mama Ginas“ wieder aufgetaucht, eine leichte Röte um seine intensiv smaragdfarbenen Augen. Zur Freude ihres Kellners Antonio und der weiteren Gäste fiel er auf ein Knie und präsentierte ihr den neuen Ring. Einen, der ein noch tieferes Versprechen enthielt. Die fünf Diamanten im Asscher-Schliff funkelten auf ihrem Platinbett. Baldwin erklärte ihr, dass jeder Diamant für die nächsten fünf Jahre ihres gemeinsamen Lebens stünde und dass er ihr in fünfundzwanzig Jahren einen neuen kaufen würde.
Fitz’ Räuspern holte sie in die Gegenwart zurück. Er bog gerade auf die Jocelyn Hollow Road ein, und Taylor erblickte die Armada an Fahrzeugen, die sich am Ende einer normalerweise eher ruhigen Straße versammelt hatte.
Für einen Außenstehenden wirkte das Aufgebot am Tatort eines unnatürlichen Todes oft wie ein Tollhaus. Mehrere Fahrzeuge blockierten die Einfahrt in die Sackgasse. Hier standen fünf blau-weiße Streifenwagen der Metro Police. Die Polizisten, die als Erste auf den Notruf reagiert hatten, waren schon wieder fort. Wann immer 911 die Polizei rief, wurden die dem Einsatzort am nächsten stationierten Feuerwehren und Krankenwagen noch vor der Polizei losgeschickt. Das war die Standardvorgehensweise. Die Tatbeschreibung war offensichtlich gewesen; es gab keine Hektik, keinen Grund zur Eile. Es gab nichts mehr, was für dieses spezielle Opfer getan werden konnte.
Das Warum hatte begonnen.
Fitz stellte den Wagen drei Häuser entfernt ab, und gemeinsam machten sie sich auf den Weg zur Kommandozentrale am Fuß der Einfahrt. Ein Schild auf dem schwarzen Briefkasten trug in geschwungener Schrift den Namen Wolff . Taylor fragte sich immer, wieso die Leute ihren Namen an ihren Häusern bekannt gaben. Die Adresse konnte sie ja noch verstehen, aber der Name … das kam ihr unsinnig vor. Und es war außerdem eine Frage der Sicherheit. Das Letzte, was sie je tun würde, wäre kundzutun, wo sie wohnte. Außerdem wüsste sie gar nicht, welchen Namen sie auf den Briefkasten schreiben sollte. Jackson? Baldwin? Jackson-Baldwin? Das klang ja wie ein Beerdigungsinstitut.
Auf der anderen Straßenseite hatte sich eine Menschentraube gebildet; abwartend standen die Nachbarn auf dem gelben Gras. In Taylors Schritt erkannten sie wohl eine gewisse Autorität, und als sie näher kam, fingen sie sofort an, nach ihr zu rufen. Eine Stimme erhob sich über alle
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