Taylor Jackson 03 - Judasmord
stehen, mein Süßer. Du wirst noch verletzt werden.“ Der Hund blieb stehen, sobald er ihre Stimme hörte. Er drehte sich um und schaute sie mit schief gelegtem Kopf und dickem Hundegrinsen an, als wolle er sagen: Hey Lady, was tun Sie hier auf den Schienen? Sie könnten verletzt werden.“
Sie schnippte mit den Fingern und stieß einen leisen Pfiff aus. Der Hund wedelte mit dem Schwanz und grinste weiter. Er kam nicht zu ihr. Er stand einfach nur da und sah zu, wie sie näher und näher kam. Er trug kein Halsband. Er war nicht fürchterlich dünn, aber auch nicht dick und hatte ein glänzendes Fell, als wenn er erst vor Kurzem irgendwo weggelaufen wäre. Er sah aus wie ein Reisender, wie einer, der die kürzesten Wege kennt, die bequemsten Abkürzungen. Ein Vagabund auf dem Weg, die Welt zu erkunden. Wie um ihren Eindruck zu bestätigen, berührte er, als sie nahe genug war, um ihm die Hand hinzustrecken, ihre Finger kurz mit seiner Nase, schnüffelte einmal und drehte sich dann um und trottete davon. Die Schienen führten linksherum in einem Bogen um eine Kurve. Taylor sah seinem wedelnden Schwanz hinterher, bis er hinter der Kurve verschwand. Erwollte keine Hilfe. Er gehörte in seine kleine Hundewelt, wusste, wo er sein musste und was er tun sollte. Ganz im Gegenteil zu ihr.
Erst als der Hund verschwunden war, fiel ihr auf, dass sie weinte.
Baldwin hatte sich selbst in eine Art Delirium gearbeitet. Taylor ging seit Stunden nicht an ihr Handy. Aiden lief immer noch irgendwo in der Nähe frei herum, und die Fernsehsender streuten auf jedem Kanal Gerüchte und Anspielungen über Baldwins Geliebte. Würde ihm in diesem Moment jemand komisch kommen, hätte er keine Probleme, ihn mit bloßen Händen zu erwürgen, dessen war er sicher.
Es war beinahe Mitternacht, als sein Handy endlich klingelte. Gott sei Dank, es war Taylor. Er nahm den Anruf entgegen.
„Meine Güte, Taylor, wo warst du? Du hast mich zu Tode erschreckt.“
Ihre Stimme war belegt, als wenn sie geweint hätte. Es brach ihm das Herz. Zu weinen, das war für diese Frau so untypisch, und Schwäche zu zeigen überhaupt nicht ihr Stil.
Sie sprach sehr leise. „Schrei mich nicht an, okay? Mir geht es gut. Ich bin auf dem Weg nach Hause. Ich brauche etwas Schlaf. Ich muss herausfinden, was hier gespielt wird. Ich bin müde. Bist du da?“
„Ja, das bin ich.“ Er sprach jetzt ebenfalls leiser. „Hast du schon etwas gegessen?“
„Ich habe keinen Hunger“, kam die tonlose Antwort. „Ich könnte allerdings eine Zigarette gebrauchen.“
Er lachte kurz auf. „Okay, das kriege ich vielleicht hin. Du hast bestimmt noch irgendwo eine Packung versteckt. Fahr einfach vorsichtig, ja? Ich sehe dich dann hier.“
„Bye“, sagte sie und war weg. Baldwin sackte erleichtert zusammen. Bis zu diesem Moment, in dem er wusste, dass es ihr gut ging, hatte er gar nicht gemerkt, welche Sorgen er sich wirklich um sie gemacht hatte.
Verdammt. Wie hatte alles so schnell so schlimm werden können? Es war noch keine vierundzwanzig Stunden her, dass sie ihn angerufen und von den Sexfilmchen erzählt hatte. Jetzt waren sie überall in den Nachrichten, zusammen mit dem Video, das zeigte, wie Taylor David Martin erschießt. Er war sicher, dass man das Video sehr leicht als Fälschung enttarnen konnte. Er hatte bereits seine Leute drangesetzt. So wie es aussah, war eine Tonspur hinzugefügt worden, die denEindruck erweckte, Martin würde um sein Leben betteln. Leicht zu beweisen. Der Schaden, der dadurch entstanden war, dass Taylor ihre Marke hatte abgeben müssen, war da schon schwerer wieder rückgängig zu machen.
Vor dem Fenster leuchteten Scheinwerfer auf. Taylor war da. Er schaltete den Fernseher aus, ging zur Garage und öffnete die Tür. Er lächelte, als sie den in warmes Licht getauchten Raum betrat. Ihr Haar war zerzaust, ihre Nase leicht gerötet. Ihre grauen Augen wirkten stürmisch, ein wütendes Gewitter tobte in ihren Tiefen.
„Wer ist jetzt das Stachelschwein?“, zog er sie auf. Dann nahm er sie in seine Arme. Sie ging nicht auf den Scherz ein, sondern seufzte nur tief. Ihr Rücken war kerzengerade, ihre Muskeln angespannt. Er konnte mit ihr fühlen und fragte sich, ob er mit ihr reden oder sie einfach ins Bett bringen sollte. In dem Moment knurrte ihr Magen laut und vernehmlich.
„Lass mich dir schnell was zu essen machen“, bot er an.
„Nein, wirklich nicht. Mir geht es gut.“ Ihr Herz war nicht involviert, sie klang vollkommen abwesend. Er
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