Taylor Jackson 03 - Judasmord
… ich sehe es förmlich vor mir. Todd fand heraus, dass seine Frau ihn betrügt, hat vielleicht sogar erfahren, dass das Baby nicht von ihm ist, und ist durchgedreht. Wir haben Beweise, die gegen ihn sprechen. Das Blut in seinem Wagen, auf seiner Werkzeugkiste. Ein Fremder weiß nichts von den Schubladen im Ankleidezimmer; das ist ein sehr intimes Versteck, um den Tennisschläger verschwinden zu lassen, nachdem man damit jemanden zu Tode geprügelt hat. Er hat von Anfang an gelogen, frech behauptet, in Savannah gewesen zu sein, während er sich in Wahrheit in Nashville aufhielt. Warum sollte er lügen, wenn er sie nicht getötet hat? Es ist viel einfacher, ein echtes Alibi zu beweisen, als ein falsches aufzubauen. Nein, ich tippe immer noch auf Todd. Henry Anderson ist Abschaum, aber er ist auch ein Weichei. Er manipuliert, weiß, welche Knöpfe er bei den Menschen drücken muss, um einen Vorteil zu erzielen. Aber offensive Gewalt scheint mir für ihn zu heftig zu sein.
Vielleicht irre ich mich aber auch. Es ist zehn Jahre her, dass ich mit ihm zu tun hatte. Er kann sich verändert haben. Offensichtlich hat ihm der Aufenthalt im Gefängnis nicht geholfen, die Fehler in seinem Leben zu erkennen und einen anderen Weg einzuschlagen. Es ist durchaus möglich, dass er sie umgebracht hat.“
Sie hielt inne, erneut in Gedanken versunken.
„Weißt du, Baldwin, du hattest recht. Als ich dir von meiner Unterhaltung mit Dr. Ricard, Corinnes Therapeutin, erzählt habe und von ihrem Hinweis, dass Corinne einen Liebhaber gehabt hatte, hast du gleich gesagt, dass das Baby nicht von Todd Wolff ist.“
„Was genau hat sie noch mal gesagt?“
Taylor schnappte sich ihr Notizbuch und blätterte zu der Seite, auf der sie die Befragung von Dr. Ricard aufgeschrieben hatte.
„Hier steht’s: ‚Anstatt zu kämpfen, hat sie sich ergeben. Sich selbst erlaubt, benutzt zu werden.‘ Ich habe gefragt, ob Todd sie benutzt hat. Sie sagte: ‚Sie wurde von vielen Menschen benutzt. Ehemann, Familie, Geschwister, Liebhaber. Sie werden die Wahrheit schon noch früh genug herausfinden, Lieutenant.‘ Da steht es. Liebhaber . Sie halfCorinne, damit umzugehen, dass sie eine Affäre hatte. Sowohl Ricard als auch Katie Walberg, die Gynäkologin, sagten, dass Corinne eine serielle Monogamistin war. Vielleicht ertrug ihre Psyche es nicht, dass sie mit zwei Männern parallel schlief.“
„Nicht, dass sie mit zwei Männern parallel schlief, sondern für zwei Männer parallel Gefühle hatte. Das war das Problem.“
„Das stimmt vermutlich. Vielleicht hat sie mit Henry Schluss gemacht, und er hat sie umgebracht. Wir müssen dringend mit Mr Anderson sprechen. Vielleicht kann er ein wenig Licht in die Sache bringen.“
Sie standen auf.
„Nimm deine Handschellen mit“, sagte Baldwin.
„Oh, glaub mir, die vergesse ich nicht.“
37. KAPITEL
Sie fuhren als Kolonne zur 51st Avenue im Nordwesten Nashvilles, in einen kleinen Stadtteil, der passenderweise Nations genannt wurde. Er lag auf der anderen Seite der Interstate 40 nahe dem Sylvan Park und war das Spiegelbild der Straßen, die Taylor und Sam mit ihren Eltern auf dem Weg zu Bobbie’s Dairy Dip genommen hatten.
Die Nations war eine von Industrie geprägte Gegend, die sich bald in Slums verlor. Ein weiterer Teil der bizarren Nashviller Gegensätze, eine vergessene Zone inmitten von Reichtum und Pracht. Fünf Straßenzüge, in denen das Verbrechen zu Hause war. Die Polizeipräsenz war beeindruckend, und doch konnte sie kaum etwas gegen den blühenden Drogen- und Sexhandel ausrichten.
Hier, in dieser molekularen Oase des Elends, agierten die Einwohner noch in einem Land, in dem die Zeit scheinbar stillstand. Es gab weit mehr Telefonzellen als Handys; sie standen an nahezu jeder Straßenecke, mit Graffiti beschmiert und von Urin besudelt. Teenager in Baggypants und eng am Kopf geflochtenen Zöpfen hielten in braune Papiertüten verpackte Bierdosen in den Händen. Verbrechen, Vernachlässigung, Angst – alles Grauen des Lebens sickerte unter den Türritzen hindurch in die Nacht und trug das Vertrauen in die Menschlichkeit mit sich fort. Diese Leute misstrauten der Polizei nicht nur, sie erkannten nicht einmal ihre Existenz an. Gerechtigkeit wurde hinter Tankstellen und in dreckigen Gassen ausgeübt, Geschäfte unter zerbrochenen Straßenlaternen und in übel riechenden, ungelüfteten Wohnzimmern getätigt.
Es war das perfekte Versteck für einen Pädophilen.
Nach einem Linksabzweig auf
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