Taylor Jackson 05 - Symbole des Bösen
fing an, sich zu entspannen. Aber wie war der Junge entkommen? Die Schule war umstellt.
Vom Parkplatz ertönten Rufe, panische Schreie, und dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Das Grauen drohte, ihr die Kehle zuzuschnüren.
„Er ist draußen!“, rief sie und rannte den Flur hinunter, das SWATTeam ihr dicht auf den Fersen. Sie stürmten aus der Tür und zu der Gruppe evakuierter Geiseln. Alle hatten ihr den Rücken zugewandt und bewegten sich so schnell sie nur konnten.
Da. Da war er.
Sie hatte ihn drinnen nicht gesehen, weil er eine schlecht sitzende Baseballkappe trug. Er musste direkt an ihr vorbeigelaufen sein. Verdammter Mist.
Das schwarz gefärbte Haar lugte unter der Kappe hervor. Sie wusste,dass er es war. Sie näherte sich ganz vorsichtig, um ihn nicht zu alarmieren. Vor dem Jungen kauerten mehrere Menschen. Er hatte seine Arme ausgestreckt, in jeder Hand eine Waffe, und zielte auf die Menge.
Sie rief: „Hör sofort auf, Schuyler.“
Die Menschen rannten panisch davon, weinten, aber sie blieb ungerührt stehen, genau wie der Junge. Als spürten sie, dass das ihre Gelegenheit war, verschwanden die Menschen um ihn herum, sodass er ganz allein dort stand.
„Dreh dich um! Auf den Boden. Hände auf den Kopf. Auf den Boden, sofort, verdammt noch mal!“
Er hob seine Hände und drehte sich langsam auf seinem rechten Fuß um. Jetzt, wo sie ihn das erste Mal von Angesicht zu Angesicht sah, war Taylor erschrocken, wie jung er wirklich noch war. Sie hörte Geräusche in der Ferne, Waffen, die gezogen wurden, wusste, dass ihr Team bei ihr war, doch sie fühlte sich gefangen, von dem Blick des Jungen angezogen wie ein Mungo von einer Kobra.
„Es ist vorbei, Schuyler“, sagte sie. „Lass die Waffen fallen und leg dich auf den Boden.“
Er fuhr fort, sie einfach anzuschauen. Seine kohlschwarzen Augen blitzten. Ihre Blicke trafen sich, ein Messen der Willenskraft. Er blinzelte schließlich zuerst.
„Ich heiße Raven!“, schrie er.
Sie spürte die Bewegung, bevor sie sie sah. Seine Hand kam hoch, das Glitzern von Stahl, das Sonnenlicht, das sich im Lauf der Waffe brach. Sie dachte nicht nach, zögerte nicht, sondern drückte drei Mal in Folge den Abzug durch. Blut strömte aus Brust und Stirn des Jungen – drei tödliche Schüsse, sauber, perfekt. Die Zeit blieb stehen.
Er sah einen Moment überrascht aus, dann sackte er in einem blutigen Haufen zu Boden.
„Sanitäter, schnell!“, rief sie und lief zu ihm. Sie kickte die Waffen beiseite und tastete seinen Körper ab. Er war sauber. Er schaute ihr direkt in die Augen, und ein eiskalter Schauer durchfuhr sie. Blut sprudelte über seine Lippen, als er starb.
Hände zogen sie von ihm fort. Ihre Waffe wurde ihr abgenommen – das gehörte zum Standardvorgehen. Das Blut rauschte in ihren Ohren. Sie hatte das Gefühl, ohnmächtig zu werden. Kaltes Wasser wurde an ihre Lippen gedrückt. Lincoln rieb ihr den Rücken. Sie kam wieder zu sich, erkannte, dass das ohrenbetäubende Dröhnen der Schüsse alle anderenGeräusche blechern klingen ließ. Keine Ohrenschützer, dachte sie und unterdrückte ein hysterisches Lachen.
Der Junge lag auf dem harten Boden, die Augen leer, und wartete darauf, vom Rechtsmediziner für tot erklärt zu werden. Schießereien mit Beteiligung eines Officers waren für alle ein Albtraum.
Taylor wurde zur Seite genommen, erstattete Bericht, hörte aber die Worte nicht, die ihren Mund verließen. Das Krachen der Waffe, der verwunderte Blick des Jungen, das Blut, das aus der Stirn des Jungen spritzte – all das wiederholte sich in einer Endlosschleife in ihrem Kopf.
Ihr Tag fing gerade erst an. Sie würde befragt und von jedem Fehlverhalten freigesprochen werden. Aber trotzdem hätte sie einen weiteren Fleck in ihrer Akte.
Guter Gott, was habe ich getan? Er war doch nur ein Junge. Nur ein Junge. Was habe ich getan?
Sie schaffte es, sich loszureißen, ihr Handy aufzuklappen, Baldwins Nummer zu wählen. Er würde es verstehen. Er würde ihr vergeben.
Baldwin ging nach dem ersten Klingeln ran. Ihre Stimme klang fremd, als gehöre sie ihr nicht. Ein Echo in ihrem Geist, das ihm erzählte, was gerade geschehen war.
„Taylor, geht es dir gut?“
Nein, es ging ihr nicht gut. Es würde ihr nie wieder gut gehen. Sie hatte gerade einen Jungen getötet. Nicht einen Mann, nicht einen finsteren Kriminellen, sondern einen Jungen.
Es war gerechtfertigt, das wusste sie. Vielmehr verstörte sie, was in dem kurzen Augenblick der
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