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Tee macht tot

Tee macht tot

Titel: Tee macht tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Clayton
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Leidenschaft, wie es nur ein Nerd verstehen würde. Er programmierte, entwarf und perfektionierte seinen Umgang mit dem Computer, wie eine Köchin ihre Rezepte. Sein beruflicher Werdegang war ihm somit vorgezeichnet: Balthasar Sebastian Rohrasch wurde Finanzstratege. Bis ins Detail zergliederte er Finanzmarktinformationen und zog daraus Rückschlüsse, ob und inwieweit sich ein Unternehmen entwickeln würde.
    Mitte der 90er-Jahre, da war er bereits 26 Jahre alt, kam ihm das Internet zu Hilfe. Die Datenbeschaffung war kein mühseliges Erfragen mehr. Jeder stellte alles ins Netz, es musste nur noch analysiert werden. Die Informationsflut war nicht mehr aufzuhalten. Sehr zu Balthasar Sebastian Rohraschs Freude. Tagein tagaus hockte er vor seinem Bildschirm und übte sich im Umgang mit dieser für ihn faszinierenden Welt. Und das nicht nur beruflich.
    Tief arbeitete er sich ins Netz. Er ergründete Dinge, die er, wenn er danach gefragt wurde, nur als dieses und jenes benannte. Angesprochen wurde er jedoch selten und schon gar nicht von Mädchen. Seine großporige Haut mit Narben, die von einer starken Akne herrührten, schreckte Mädchen ab. In seine Augen, die durch eine Brille auf unnatürliche Art groß erschienen, sahen sie nur ungern. Frauen fühlten sich in seiner Nähe ungefähr so wohl, wie ein mariniertes Steak auf Erdbeersorbet. Da half es auch nichts, dass er den analytischen Verstand seines Vaters besaß.
    Dies störte den noch jungen Balthasar Sebastian Rohrasch aber nicht. Theoretisch wusste er ohnehin alles über Frauen. Er wusste, wie ein Zungenkuss funktionierte und auf was man dabei achten musste. Er wusste, wie man um ein Date bat und dass Kondome nicht nur vor ungewollter Schwangerschaft schützten. Aber nur weil man alles weiß, musste man noch lange nicht alles ausprobieren.
     
    Bei einem war sich Balthasar Sebastian Rohrasch in späteren Jahren jedoch sicher. Den Beruf des Totengräbers würde sein Vater heute nicht mehr wählen. Nein, ganz sicher nicht, denn zu seines Vaters Zeiten verstarb man noch, wenn es an der Zeit war. Heute konnte man bestenfalls noch darauf hoffen, dass einem ein Herzinfarkt schnell aus dem Leben riss. Andernfalls hatte man eine geraume Zeit vor sich, in der sich Ärzte mithilfe von Maschinen auf Teufel komm heraus der Lebenserhaltung verschrieben. So leicht starb es sich heute einfach nicht mehr. Heute musste ein Totengräber sich nicht nur in Erdarbeiten verstehen, sondern auch in Geduld üben.
     
    Aber nicht nur sein Arbeitsfeld hatte sein Vater nach analytischen Gesichtspunkten geplant, auch die Auswahl seiner Frau wurde im Vorfeld genauestens durchkalkuliert.
    Er studierte Erziehung, Angewohnheiten und die Erwartungen, die seine künftige Frau an ihn stellen würde, fügte noch die für eine Frau nicht ganz unwichtigen wirtschaftlichen Anliegen dazu und verband dies alles mit seinen eigenen Interessen sowie Vorlieben. So gelangte er zu dem Ergebnis, dass die Mutter seines Sohnes die bestmögliche Wahl war.
    Dem konnte Balthasar Sebastian Rohrasch beipflichten: Seine Mutter war die beste Mutter, die man sich nur wünschen konnte.
    Vielleicht konnte er dies nicht immer so zeigen, aber er liebte sie wirklich.
    Mit 32 Jahren, er lebte noch immer bei seinen Eltern in einem kleinen Häuschen am Rande des Starnberger Sees, wünschte sich seine Mutter nichts mehr, als dass ihr Sohn nun endlich in die Puschen käme und sich eine Frau suchte.
    Diesen Wunsch konnte Balthasar Sebastian Rohrasch ihr allerdings nicht erfüllen. Nein, Ambitionen in Bezug auf eine Frau hegte er nicht. Die würde ihn doch von jenem und welchem abhalten oder sich gar noch Kinder von ihm wünschen. Nein, auch seine Neigungen im Hinblick auf Kinder waren eher gering. Seine Art, Entscheidungen zu treffen, hatte ihn dazu angehalten, das Pro und Contra für eine Frau aufzulisten, und das Ergebnis hatte wesentlich mehr Contras geliefert.
    Sein Vater hielt seine Argumentation für sehr schlüssig. Er fand sich damit ab, dass er sein Wissen nie einem Enkel würde weitergeben können.
    Mit erst 56 Jahren verstarb er plötzlich und ohne viel Aufsehen.
    Nun übernahm Balthasar Sebastian Rohrasch die statistische Lebensplanung für sich und seine Mutter. Fragen zu klären wie, ob es Fisch oder Fleisch geben sollte, oblag nun ihm. Wäre Gymnastik oder leichter Ballsport für seine Mutter besser? Würde eine Renovierung der Fenster einen Mehrwert für das künftige finanzielle Wohlergehen der Familie schaffen?

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